Die Staufer und ihre Zeit
Friedensstifter und Garant kommenden Glücks porträtierte, »eine Wendung um 180 Grad« – so Historiker Walther Lammers. Er wollte wohl wirklich selbst glauben, dass mit Barbarossa eine wundersame Wendung zum Besseren eingetreten war. Der Weltuntergang war für ihn damit aufgeschoben – wenn auch nicht aufgehoben. Tatsächlich bewirkte Barbarossa ja in den ersten Regierungsjahren mit großem Geschick einen Interessenausgleich; er befriedete 1156 auf dem Regensburger Hoftag sogar den fast 30-jährigen Streit von Staufen, Welfen und Babenbergern.
Doch dieser Friede blieb bruchstückhaft wie Ottos Werk, das sein Kaplan Rahewin nach den kaiserlichen Vorgaben vollenden musste. Zum Sterben zog sich der große Weltdeuter 1158 in sein geliebtes Kloster Morimond zurück. So musste er nicht mehr erleben, wie neuer Streit zwischen Kaiser und Papst und unter den Fürsten um sich griff.
MACHTMENSCH MIT PHANTASIE
Sein Weg war vorbestimmt: Schon mit einem Jahr wurde er zum König gewählt. Doch Friedrich II. prägte die Herrschaft der Staufer auf ganz eigene Weise, als eine der erstaunlichsten Gestalten der europäischen Geschichte.
Von Mathias Schreiber
Als »Antichrist« wurde er beschimpft, als »Sohn des Teufels«, »Drache«, »König der Pestilenz« und »Fürst der Finsternis«. Aber er wurde auch angehimmelt: als »Messias«, als »Erneuerer der Zeiten« und Vermittler zwischen Christentum und Islam. Der Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt erkannte in ihm im 19. Jahrhundert gar den »ersten modernen Menschen auf dem Thron«.
Vor acht Jahrhunderten war er der mächtigste Herrscher Mitteleuropas. Er las Aristoteles, zerbrach sich den Kopf über Mathematik und die Naturgesetze, er verstand viele Sprachen, dachte erfrischend rational; und zugleich war er ein rachsüchtiger, rastloser Wüstling der Macht, nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen »ein durchtriebener Mann, arglistig, ausschweifend, boshaft und jähzornig«. Seinen sizilischen Ordnungsstaat nannte er selbst einmal, nicht ohne Stolz, die »Mutter der Tyrannis«.
Die Rede ist vom schillerndsten und faszinierendsten Herrscher aus dem Geschlecht der Staufer, von Friedrich II., der von 1208 bis 1250, also über 40 Jahre, regierte. Die widersprüchlichen Urteile über ihn entsprechen den wechselhaften Machtverhältnissen jener Epoche, vor allem in Süditalien:
Der Historiker Christoph Dartmann vergleicht sie mit einem »Mobile, das in einem Zimmer mit kräftigem Durchzug hängt«.
Trotz der labilen, stets gefährdeten Basis seines Wirkens hinterließ dieser Mann, den Friedrich Nietzsche als genialen »ersten Europäer« verehrte, Bleibendes. Dazu gehört eine für das Mittelalter neue Offenheit der Politik gegenüber dem naturwissenschaftlichen, speziell dem medizinischen Wissen der Zeit. Friedrich steht für weitgehende religiöse Toleranz, er fixiert ein in die Zukunft weisendes Konvolut von Gesetzen als Wirbelsäule einer erstaunlich effektiven, weniger korrupten, auf Schriftlichkeit verpflichteten Verwaltung; und er hinterlässt befremdlich schöne Burgen wie das konsequent oktogonale, der Repräsentation vorbehaltene Castel del Monte in Apulien, er gründet die Universität Neapel und schreibt viele rhetorisch elegante Briefe sowie ein bis heute bewundertes Buch über die Falkenjagd – es behandelt, anmutig illustriert, über hundert Vogelarten.
Schon von Geburt her zeigt der Charakter dieses Herrschers verwirrende Buntheit – mit pausenlos wechselnden Farben. War er überhaupt der leibliche Sohn seiner Eltern, des Staufer-Kaisers Heinrich VI. und seiner Gattin Konstanze? Alle Zweifel an der Identität, Integrität und kulturellen Orientierung Friedrichs nehmen hier ihren Ausgang.
Der Schwabe Heinrich hatte die Tochter des sizilischen Normannenkönigs Roger II. 1186 geheiratet – sozusagen eine deutsch-französische Liaison auf italienischem Boden, denn Konstanze war die Erbin des damals bis kurz vor Rom reichenden Königreichs Sizilien. Ihre Ehe mit dem staufischen Heinrich, noch eingefädelt von dessen mächtigem Vater Friedrich I. Barbarossa, ermöglichte Süditalien den Zusammenschluss mit dem römisch-deutschen »Imperium«. Heinrich hatte die an sich legale Verschmelzung der beiden
Reiche mit Waffengewalt durchsetzen müssen, darum war es ihm besonders wichtig, diesen Machtgewinn durch einen Thronfolger zu sichern. Der wurde sozusagen fünf vor zwölf geboren: Neun Jahre war die Ehe kinderlos, da kam Friedrich 1194 in Jesi bei Ancona zur
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