Die Staufer und ihre Zeit
staufischen Vorfahren dem Niedergang des Reiches kontrapunktisch gegenüber.
Durchweg handelt es sich um höfische Geschichtsschreibung, in der das Wirken der staufischen Helden beschönigt und im Sinn der Erlösungsbotschaft zurechtgebogen wird. Zu der in mancher Hinsicht objektiveren Weltchronik
ergeben sich dabei etliche Widersprüche. Werden im ersten Buch der »Taten Friederichs« zwar im Prinzip die gleichen Geschehnisse geschildert wie im sechsten und siebten Buch der Weltchronik, so ist die Tendenz der Darstellung doch eine völlig andere. So taucht der Staufer-Herzog Friedrich I. von Schwaben (1050 bis 1105) in der Weltchronik nur ganz am Rand auf, während er in den »Taten Friederichs« einen großen, allerdings frei erfundenen Auftritt hat: Kaiser Heinrich IV. ruft, so Ottos Fiktion, als entscheidende Stütze keinen anderen als den Barbarossa-Ahn zur Hilfe, um »die Feinde des Reiches mannhaft niederzukämpfen«.
Die Weltchronik, Otto von Freisings Hauptwerk, hat seinen Ruf als bedeutendster Geschichtsdenker des Mittelalters begründet. Die zwischen 1143 und 1146 geschaffene »Historia de duabus civitatibus« stellt in der Tradition des Heiligen Augustinus dem todgeweihten Erdenreich das ewige Gottesreich entgegen. Der Heilsplan des Schöpfers umschließt hier Anfang und Ende menschlicher Geschichte: Er führt von Adam über das babylonische, persische und griechische bis zum römischen Reich. Dieses überdauert zwar zu Lebzeiten des Autors im »Heiligen Römischen Reich«, ist aber für ihn bereits in rapidem Zerfall begriffen – das Weltende steht bevor. Im achten und letzten Teil der Weltchronik wird darum schon die Zukunft im Gottesreich erörtert, das von Sündern endlich befreit ist: »Man kann die Frage aufwerfen, welche Leiber die Heiligen nach der Auferstehung in jenem Staate haben werden.«
Zu seiner widersprüchlichen Doppelrolle als Prophet des Weltuntergangs und hochgemuter Herold der staufischen Mission schien Otto von Freising schon wegen seiner nahen Verwandtschaft mit mehreren gekrönten Häuptern prädestiniert: Er war nicht nur ein Onkel Barbarossas, sondern auch ein Enkel des Canossa-Kaisers Heinrich IV. Und der Verfasser
der Chronik sah im Zerwürfnis zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Oberhaupt der Christenheit, die doch beide auf denselben Erlöser hofften, das Menetekel des nahenden Weltuntergangs.
Otto kam schon in jungen Jahren mit der Geschichtsdeutung der Kirchenväter in Berührung, die für ihn bestimmend wurde. Der Spross aus bestem Hause verbrachte die Zeit zwischen seinem 15. und 20. Jahr in Paris unter den führenden Geistern der mittelalterlichen Denkschule der Scholastik. Der darin überlieferten Theologie zufolge enthielt ein Traum des biblischen Propheten Daniel den göttlichen Fingerzeig, dass die Weltgeschichte vier einander ablösende Universalmonarchien umfasst, deren letzte das Römische Reich ist. Dessen Ende bedeutet den Untergang des Weltstaates. Es folgt das Jüngste Gericht, bei dem die Sünder ewiger Verdammnis anheimfallen und die Gottgefälligen zu den Engeln in den ewigen Gottesstaat aufsteigen.
Auf der Rückreise von Paris nach Deutschland machte Otto 1132 im Zisterzienserkloster Morimond in der Champagne Station. Spirituell überwältigt, wurde er Mönch. Gebet, Gehorsam, Schweigen, Demut und ein Leben von eigener Hände Arbeit erfüllten ihn sechs Jahre – noch in der Weltchronik rühmte er die Mönche als »Heilige Gottes«.
Im Jahr 1138 wurde Ottos Halbbruder Konrad III. von den Großen des Reiches zum römisch-deutschen König gewählt. Sogleich berief der Herrscher den jetzt etwa 26-jährigen Abt Otto aus Morimond auf den vakanten Bischofsstuhl von Freising. Das war ein Politikum ersten Ranges, denn Freising lag mitten im bayerischen Stammland des welfischen Herzogs Heinrich des Stolzen – und gerade hier wollte der staufische König einen Mann seines Vertrauens platzieren.
In dem schwierigen Amt bewährte sich Otto, der auch in seiner 20-jährigen Bischofsära stets das Mönchs-Habit trug,
als umsichtiger, fürsorglicher Oberhirte und pflichtbewusstes Mitglied der politischen Elite. Die anhaltenden dynastischen Machtkämpfe in einem Reich, das sich doch »Heilig« nannte, erschienen ihm freilich als Fortsetzung des heilswidrigen Schismas zwischen Kaiser und Papst. Die pessimistische Perspektive der 1146 beendeten Weltchronik ist davon völlig geprägt.
Doch ein Jahrzehnt später vollzog Otto, indem er Barbarossa als
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