Die Staufer und ihre Zeit
1268, als Konradin das Schafott auf der späteren Piazza del Mercato besteigt. Ein schöner junger
Mann soll er gewesen sein, groß und gefasst. »Mutter, welch schmerzliche Nachricht wirst du von mir erfahren«, soll er ausgerufen haben, bevor ihn das Richtschwert in den Nacken trifft. Da hatten etliche Fürsten daheim im Reich schon begonnen, sich über den Stauferbesitz herzumachen.
Karl von Anjou verweigert seinem Kontrahenten sogar ein würdiges Begräbnis in geweihter Erde, schließlich ist Konradin als »Häretiker« gebannt. Erst zehn Jahre später werden seine Gebeine in der Kapelle Santa Maria del Carmine beigesetzt. 1847 stiftet der bayerische König Maximilian II. ein Denkmal. Es zeigt den jungen Staufer, wie ihn sich deutsche Nationalisten damals vorstellen: Hochgewachsen, Rittergewand, die Linke auf den Schwertknauf gestützt, die Rechte trutzig in die Hüfte, eine Lichtgestalt.
TEIL II
FEINDE, RIVALEN, GEGENMÄCHTE
HIMMEL GEGEN ERDE
Zwischen den Päpsten und den Staufern tobte ein erbitterter Kampf um die Frage: Wer ist der wichtigste Mann auf der Welt?
Von Michael Sontheimer
Der Markusplatz in Venedig ist übersät mit Menschen am 24. Juli des Jahres 1177. Auf einer eigens errichteten Tribüne vor der Kathedrale thront Alexander III. umgeben von Kardinälen, Bischöfen und anderen Würdenträgern. Schon vor Sonnenaufgang hat der Papst die Messe besucht. Jetzt wartet er auf seinen großen Gegenspieler, mit dem er beinahe zwei Jahrzehnte lang einen harten Kampf ausgetragen hat, auf Friedrich I. Barbarossa. Der Herrscher aus dem Norden hatte sich geweigert, Alexander III. als Papst anzuerkennen.
Mehr als zehntausend geladene Gäste sind nach Venedig gekommen, um dieser historischen Aussöhnung zwischen Papst und Kaiser beizuwohnen. Allein der Erzbischof von Köln ist mit einem vierhundert Mann starken Gefolge angereist. Die Häuser und Paläste sind in den venezianischen Stadtfarben Rot und Gold geschmückt.
Der Kaiser nähert sich in einer prunkvollen Barke vom Lido dem Markusplatz. Bei seiner Fahrt auf dem Canal Grande begleiten ihn der Doge von Venedig und drei Kardinäle. Nach dem Anlegen schreitet Barbarossa zum Thron des Papstes, der sich als keinen Geringeren sieht als den Stellvertreter Christi. Der Kaiser legt seinen roten Umhang und den Herrscherschmuck ab, wirft sich barfuß vor Alexander III. nieder
und küsst ihm, wie es gegenüber dem Papst geboten ist, Füße und Knie.
»Alexander hebt ihn daraufhin auf«, heißt es in einer Quelle, »nimmt sein Haupt in beide Hände, gibt ihm den Friedenskuss und bietet ihm den Platz zu seiner Rechten an. Friedrich ergreift sodann die Rechte des Papstes und geleitet ihn unter beinahe lebensgefährlichem Gedränge in die Markuskirche, wo das ›Te Deum‹ erklingt.«
Zwei Tage lang wird die »Pax Veneta«, der Frieden von Venedig, mit Gottesdiensten, Empfängen und Gelagen gefeiert. Gut ein Jahr haben beide Seiten um die Bedingungen der Versöhnung gerungen, nun ist sie da: Alexander III. löst den Kaiser, den er exkommuniziert hatte, vom Kirchenbann. Sein schärfstes Schwert hatte er gegen Barbarossa gezogen; mit dem Bann wurden die Treueeide der Untertanen des Kaisers für wirkungslos erklärt. Doch jetzt gilt der Staufer als heimgeholt in den Schoß der Kirche, und der Fluch, als verdammter Antichrist sterben zu müssen, ist von ihm genommen. Im Gegenzug verpflichtet sich Friedrich I. im päpstlichen Interesse zu einem 15-jährigen Frieden mit dem normannischen Königreich Sizilien und einer sechsjährigen Waffenruhe mit den lombardischen Städten.
Es ist ein unvergleichlicher Triumph des Papstes: Alexander III. hat die Versuche Friedrichs, ihn durch gefügige Gegenpäpste zu verdrängen, erfolgreich abgewehrt. Sein Sieg ist ein dramatischer Höhepunkt im Dauerkonflikt zwischen den Päpsten in Rom und den Herrschern jenseits der Alpen.
Wer folgt nach Gott? Ist der Papst der Gebieter aller Christen, also auch der Könige und Kaiser? Oder sind Könige und Kaiser Herrscher von Gottes Gnaden, ganz direkt und ohne Vermittlung des Papstes? Wie sieht das rechte Verhältnis zwischen »sacerdotium« und »regnum« aus, zwischen Priesterherrschaft und Königreich?
Die Päpste sicherten sich bereits im Jahr 816, zu Zeiten Karls des Großen, das exklusive Recht, die weströmischen Kaiser zu salben und zu krönen. Gleichwohl standen die weltlichen Herrscher über den meist aus der Aristokratie Roms kommenden Päpsten. In der Ottonenzeit (919 bis 1024)
Weitere Kostenlose Bücher