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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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und Indigo.
    Die Normannen verbrachten die heißen Sommermonate in den Lustschlössern, saßen in tropfsteinartigen Mauernischen um künstlich angelegte Seen und Inseln, lebten lustvoll im Diesseits, inspiriert durch die Traditionen ihrer Untertanen. Das muss man sich mal vorstellen, sagt Francesco: Die Normannen kamen, um im Auftrag des Papstes die Sarazenen aus Sizilien zu vertreiben. Und dann errichten sie Schlösser im orientalischen Stil und spielen Wikinger in der Wüste – »so als hätte George W. Bush nach dem Sieg über Saddam Hussein eine Moschee erbaut und würde darin leben«.
    Letzte Etappe jenseits der alten Stadtmauer, Palermo wirkt ärmlich jetzt. Die Normannenfestung Maredolce, süßes Meer, ist umzingelt von Hochhaussiedlungen, sie liegt heute mitten in Brancaccio, Palermos Mafia-Hochburg. Ein Wächter steht davor mit verschränkten Armen, Kinder rennen herbei und führen in illegale Barackensiedlungen. In der Festung hängt Wäsche, die Wände sind mit Graffiti besprüht. Mit EU-Geldern soll aus der Burg ein Museum werden, aber die Gelder versickern, und die Bewohner wollen nicht weichen. Sie schweigen und blicken feindselig, wir flüchten auf der »Liberty«.
    Francesco sagt, es sei immer dasselbe, »wir sind umgeben von Palermos großartiger Geschichte, aber wir lernen nichts aus ihr«. Dabei war Palermo mal Modell für eine Weltstadt, ein Knotenpunkt mitten in Europa.
    Bereits zu Friedrichs Zeiten war diese Vision gescheitert. Unter den Normannenherrschern waren die Araber geduldet, am Königshof sogar staatstragend, unter den Staufern aber wurden sie zur verfolgten Minderheit. Die meisten Muslime flohen in ihre Heimat, ein Rest verschanzte sich im Inselinnern und wehrte sich mit Waffengewalt. 1222 befahl Friedrich
einen Militärangriff, die Überlebenden ließ er in die Garnisonsstadt Lucera in Apulien deportieren. Hier konnten sie sich immerhin wirtschaftlich entwickeln, hatten Religionsfreiheit und gewisse Autonomie. Für Francesco war Friedrich ein Herrscher, der mehr Araber umbrachte als alle anderen: »Und heute gilt er als Araber-Freund, als Multikulti-Kaiser. Noch so eine Legende.«
    Nach Friedrichs Tod waren Siziliens glückliche Jahre vorbei. Die Insel versank im Bürgerkrieg. Die Anjou ließen den letzten Staufer in Neapel hinrichten. Neue Invasoren kamen, Amerika wurde entdeckt, Sizilien verkam zum Armenhaus. 1860 nahm Giuseppe Garibaldi die Insel ein und vereinigte Italien, Sizilianer reagierten mit Desinteresse, mit Hass auf alles Fremde, sie schotteten sich ab von der Welt.
    In Giuseppe Tomasi di Lampedusas berühmtem Roman »Der Leopard« weist ein sizilianischer Fürst das Hilfsangebot eines Piemontesen harsch zurück: »Meinen Sie wirklich, Chevalley, Sie wären der Erste, der hofft, Sizilien in den Fluss der Weltgeschichte hineinleiten zu können? Wer weiß, wie viele mohammedanische Imame, wie viele Ritter des normannischen Königs Roger, wie viele Gelehrte der Hohenstaufer sich die gleiche schöne Tollheit ausgedacht haben, wie viele spanische Vizekönige! Und wer weiß heute noch, wer sie waren?«
    Von Palermos glanzvollen Zeiten sind heute bloß noch Steine übrig. Gewiss, an Friedrichs Sarkophag liegen frische Rosen, aber es sind deutsche Touristen, die sie bringen, ein paar Hotels heißen »Federico Secondo«, eine Trattoria, das war es auch schon, kaum ein Sizilianer kennt noch die alten Geschichten. Was bleibt ist ein Schulterzucken, die Scham über das, was aus Sizilien geworden ist.
    Francesco sagt, wer keine Vergangenheit hat, hat auch keine Zukunft, er klagt über Filz und Korruption an der
Universität. Er wandert bald aus, in Baltimore, USA, will er studieren, sizilianische Geschichte. »Es wird mir das Herz brechen«, sagt Francesco und düst davon im Abgasnebel.
    »Früher kamen die Fremden zu uns, wir haben ihnen viel zu verdanken. Aber seit mehr als 100 Jahren müssen wir selbst in die Fremde ziehen. Nur wer abhaut, hat eine Chance«, sagt Leoluca Orlando, 62, Palermos einstiger Bürgermeister und prominenter Anti-Mafia-Kämpfer. In den neunziger Jahren rief er den Frühling von Palermo aus und suchte den Anschluss an die Moderne. Heute sitzt er in seiner Jugendstilvilla nahe dem Normannenpalast und blättert in einem Buch mit Werken der Sizilianischen Dichterschule, die Friedrich hier vor rund 800 Jahren gründete.
    Orlando sagt, Friedrich sei sein Vorbild, er bewundere ihn für »seine deutsche Intelligenz, sein sizilianisches Herz und die arabische

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