Die Staufer und ihre Zeit
galten die Kaiser und Könige als »Gesalbte des Herrn« und hatten bei strittigen Papstwahlen das letzte Wort.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts aber trat in Gestalt von Gregor VII. ein überaus selbstbewusster Stellvertreter Christi auf, der die Unterwerfung aller Christen forderte, auch die der Könige. Ihm und anderen Päpsten der sogenannten Reformbewegung ging es um die Freiheit der Kirche. König Heinrich IV. widersetzte sich und beging dabei den Fehler, Gregor VII. zum Rücktritt aufzufordern.
Der Investiturstreit über das Recht auf Einsetzung der Bischöfe wurde zum historischen Kräftemessen – der König unterlag. Im Jahr 1077 musste Heinrich seinen zum Sprichwort gewordenen Gang nach Canossa antreten. Drei Tage hatte er, barfuß im Büßergewand, darauf zu warten, dass Papst Gregor VII. ihn empfing, ihm verzieh und den Bann gegen ihn aufhob. Ein damaliger Rechtsgelehrter zog aus der Demütigung Heinrichs den Schluss: »Der wahre Kaiser ist der Papst.«
Aber der Machtkampf ging weiter. In der Auseinandersetzung zwischen den Päpsten und den Staufern war es Papst Innozenz III., der den Anspruch der Kurie am klarsten formulierte: »So schuf Gott also am Firmament der universalen Kirche zwei Lichter, nämlich zwei große Dignitäten: die bischöfliche Autorität und die königliche Gewalt. Wie aber der Mond sein Licht von der Sonne empfängt, so erhält die königliche Gewalt den Glanz ihrer Würde von der pontifikalen Autorität.« Der Kaiser kann sich demnach nur im Glanz des Papstes sonnen. Innozenz III. erklärte, der Nachfolger
Petri sei »geringer als Gott, aber größer als der Mensch«. Klarer lässt sich der Anspruch der Päpste, über den weltlichen Herrschern zu stehen, kaum ausdrücken.
In diese Hierarchie wollte sich der selbstbewusste Friedrich I. nicht einfügen. Er versuchte, die Uhr zurückzudrehen und den Päpsten ihre Macht, die sie gerade erst hinzugewonnen hatten, wieder zu entreißen. Die kirchlichen Oberhäupter, darauf konnte Barbarossa setzen, brauchten den Kaiser, um nicht von ihren Feinden in Italien überwältigt zu werden. Sie waren auf ihn bei ihrem ständigen Bestreben angewiesen, ihr »Patrimonium Petri«, das Land der Kirche, zu erhalten und zu vergrößern.
Das Patrimonium ging vor allem auf eine Schenkung des Frankenkönigs Pippin III. 754 zurück; der Vater Karls des Großen hatte versprochen, alles Land, das er von den Langobarden erobern konnte, den Päpsten zu übergeben. Ende des 11. Jahrhunderts hatte dann Markgräfin Mathilde von Tuszien ihre ausgedehnten Ländereien der Kirche vererbt. Der Kirchenstaat erstreckte sich von Ravenna bis Rom, von der Adria bis zum Tyrrhenischen Meer, hatte aber bei Perugia einen schmalen Korridor.
Im Norden und Westen ihres Staates hatten es die Päpste mit den erstarkenden Städten der Lombardei zu tun. Im Süden sahen sie sich bedrängt durch die Herrscher des Königreichs Sizilien, das immerhin bis kurz vor Rom reichte. Das Schreckensszenario des Papstes und der Kardinäle war eine mögliche Vereinigung des »regnum Siciliae« im Süden mit dem »regnum Italiae«, dem Reichsitalien im Norden.
In jedem Fall erwies sich das irdische Reich der Päpste als klassische Mittelmacht, nicht groß genug, um wirklich Einfluss auszuüben, aber auch nicht klein genug, um von den politischen Entwicklungen ringsum unbeeindruckt zu bleiben. Gleichwohl beschäftigte die Kurie Hunderte von Beamten; die Päpste bauten eine Gerichtsbarkeit auf und ließen Steuern einziehen.
CHRONIK PÄPSTE IM MITTELALTER
Leo IX. (1049 bis 1054)
In seine Amtszeit fällt der Anlass zur endgültigen Spaltung zwischen römischkatholischer Kirche und der orthodoxen Christenheit in Byzanz (»morgenländisches Schisma«).
Gregor VII. (1073 bis 1085)
Er gerät um die Frage, wer die Bischöfe einsetzt, in einen erbitterten Konflikt (Investiturstreit) mit dem Kaiser. Gregor belegt Heinrich IV. mit dem Bann, von dem er ihn 1077 in Canossa löst.
Urban II. (1088 bis 1099)
Im November 1095 ruft er zum Ersten Kreuzzug auf, um Jerusalem aus muslimischer Hand zu befreien.
Calixt II. (1119 bis 1124)
Mit Kaiser Heinrich V. schließt er das Wormser Konkordat, das den Investiturstreit beilegt.
Hadrian IV. (1154 bis 1159)
Der einzige Engländer auf dem Heiligen Stuhl, geboren als Nicholas Breakspear, krönt Friedrich Barbarossa 1155 in Rom zum Kaiser.
Alexander III. (1159 bis 1181)
Im zwei Jahrzehnte währenden Machtkampf mit Barbarossa bleibt er
Weitere Kostenlose Bücher