Die Staufer und ihre Zeit
wahrscheinlich an den Folgen einer Malaria, die er sich schon Jahre zuvor zugezogen hatte.
Der letzte Staufer-Kreuzzug freilich endete mit einem genialen Kompromiss politisch-diplomatischer Art, gegen den Widerstand aller religiösen Eiferer. Barbarossas Enkel Friedrich II. wollte, obschon seine Truppen dazu wohl durchaus in der Lage gewesen wären, keinen Krieg – und erreichte in Verhandlungen mit dem durchaus friedenswilligen Sultan Malik al-Kamil, dass die Christen sich wieder allerorts gefahrlos bewegen konnten, in Nazaret oder Betlehem oder Sidon. Und natürlich in Jerusalem, wo sich Friedrich in der Grabeskirche demonstrativ mit Krone und königlichen Gewändern präsentierte.
Dieser Friedensvertrag, besser: ein Waffenstillstandsabkommen, lief über zehn Jahre, es war eine weltpolitische Sensation. Denn noch wenige Dekaden zuvor hatte der legendäre
Sarazenenführer Saladin dem prominenten englischen Kreuzzügler Richard Löwenherz geschrieben, er könne sich »nicht vorstellen«, Jerusalem jemals aufzugeben – »vor Muslimen würde ich es nicht wagen, auch nur das Wort zu äußern«.
Spätherbst im Jahr 1095, Clermont in der französischen Region Auvergne. Papst Urban II. hat seine Bischöfe zu einem »consilium generale« geladen, es geht auch um ein großes Thema: die Lage der Christen im Osten. Am letzten Tag des Konzils, dem 27. November, beraumt der Papst eine öffentliche Sitzung an und lässt überall verkünden, er werde eine wichtige Rede halten. Wegen der riesigen Menschenmenge tagt die Versammlung auf offenem Feld vor den Toren der Stadt.
Urbans Ansprache ist im authentischen Wortlaut nicht zweifelsfrei überliefert, sie lässt sich freilich aus vier zeitnahen Berichten einigermaßen gut rekonstruieren. »Mit großer Eloquenz und rhetorisch geschickt«, so der Saarbrücker Mediävist Peter Thorau, schilderte der Papst die angebliche Unterdrückung und grausame Verfolgung der christlichen Brüder durch die Muslime – schon hätten die Türken Anatolien überrannt und seien bis zum Bosporus vorgedrungen, hätten die Kirchen zerstört und das Land verwüstet. »Ohne schleunige und entschlossene Hilfe von außen«, fasst Thorau einen wesentlichen Aspekt der päpstlichen Rede zusammen, »ist die orientalische Christenheit in ihrer Existenz bedroht.«
Dann wetterte Urban gegen bürgerkriegsähnliche Zustände im Abendland, wo Mord und Totschlag, Raub und Wegelagerei an der Tagesordnung seien – »damit muss es ein Ende haben!« Aus Räubern sollten endlich Ritter werden, die um des ewigen Lebens willen gegen die Heiden ziehen sollten: als Akt der Buße für ihre Sünden, sie würden erlöschen in der Stunde des Todes.
Ein Problem allerdings gab es. Was der Papst verlangte, war nichts anderes als Krieg, und Krieg galt seit der Friedensbotschaft
Jesu als verwerflich. Also musste eine theologische Rechtfertigung herangezogen werden, über die bereits der Kirchenvater Augustinus sinniert hatte. Ein Krieg sei dann akzeptabel und »gerecht«, wenn er im Auftrag Gottes geführt würde, und wenn es denn einen gerechten Krieg nach dieser Definition gab, dann den zur Rückeroberung des Heiligen Landes.
Die Rede Urbans, dieser fanatische Appell, hatte die Zuhörer offenbar zutiefst beeindruckt. Angeblich schrien sie immer wieder: »Deus lo vult!« – »Gott will es!« Kaum hatte der Papst sein Schlusswort gesprochen, da kniete der Bischof von Le Puy vor ihm nieder und bat als Erster, an diesem Kriegszug teilnehmen zu dürfen, wohl Tausende schlossen sich ihm sofort an.
Schließlich erinnerte Urban an ein Bibelwort des Evangelisten Matthäus: »Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.« Also forderte Urban alle auf, als Zeichen ihrer Bereitschaft auf der Kleidung ein Stoffkreuz zu tragen. Seither ist es ein gängiges Wort – das Kreuz nehmen. Der Begriff »Kreuzzug« wurde übrigens erst populär im 17. Jahrhundert, ihn prägte der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz, vorher hieß es »Wallfahrt« (lateinisch: peregrinatio) oder »Feldzug« (expeditio) oder einfach »Reise« (iter). Und mit den Kreuzzügen verfolgte der Papst ebenso wie die europäischen Regenten, die ihm folgten, natürlich auch handfeste machtpolitische und wirtschaftliche Interessen.
Der erste Kreuzzug begann 1096, er dauerte drei Jahre lang. Staufer nahmen daran nicht teil, das Gros der wohl 50 000 Kämpfer bestand aus Franzosen, Lothringern und Normannen, die damals auch
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