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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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gewesen als ein unkontrolliert umherschwirrender Luftballon, der in sich zusammenfällt. Hätte Karl doch seine Energie damals in die richtigen Bahnen gelenkt, wie viel mehr hätten wir gemeinsam erreichen können.«
     
    In Statsons Rücken konnte Wincover erkennen, dass die blonde Geschäftsfrau einen Mann getroffen und herzlich begrüßt hatte. Die beiden verstanden sich offensichtlich gut und gingen mit einem Glas in der Hand aus dem Salon. Fast bedauerte Wincover, dass er sich auf das Gespräch mit Statson eingelassen hatte. Sonst wäre er jetzt vielleicht der Begleiter der Frau gewesen. Aber wo dachte er hin, das ließ sein Vorhaben auf Ganymed doch gar nicht zu. Und jetzt wollte er schon gerne das Ende von Statsons Geschichte erfahren!
    »Dann haben Sie die Bombe also rechtzeitig gefunden?«
    »Wie man es nimmt«, antwortete Statson. »Wir hatten die Bombe gefunden. Aber rechtzeitig? Wie lange brauchen Sie, um eine Bombe zu entschärfen? Mussten Sie das schon einmal tun?« Wincover zuckte mit den Achseln.
    »Eben«, sagte Statson. »Da geht man nicht einfach ran und sucht nach dem Knopf, den man drücken, nach dem Kabel, das man durchschneiden muss. Entgegen der landläufigen Meinung funktioniert das so nicht. Wenn man direkt vor so einer Bombe kniet, noch dazu in einem Ætheranzug mit dicken Handschuhen, während alle möglichen interstellaren Partikel an einem vorbeisausen, dann rüttelt man nicht einfach mal so an einer Bombe. Was ich damit sagen will: Zu jenem Zeitpunkt begann erst unsere eigentliche Aufgabe, jetzt musste sich meine Maschine wirklich beweisen!«
    Statson hob das Glas auf Augenhöhe, aber sein Blick ging durch die rötliche Flüssigkeit hindurch. In diesem Moment wirkte er auf Wincover wie ein Wahrsager, der in seine Glaskugel schaute und dort nach Erkenntnissen suchte. War Statson nicht sogar eine Art Wahrsager? Hatte er nicht etwas von den fahrenden Gauklern aus dem Mittelalter, die ihrem Publikum trickreich vortäuschten, sie könnten Gedanken lesen?
    Statson blickte von seinem Glas zu Wincover, nun wieder ganz der Wissenschaftler. »Sie müssen sich vergegenwärtigen, was eine Bombe ist. Viele denken nur an den Moment der Explosion, dabei ist dieser ja nur der Zeitpunkt, in dem sich die Mission der Bombe erfüllt. Wer sie entschärfen will, darf daran nicht denken. Wer sie entschärfen will, muss in ihr ein filigranes, maschinelles Lebewesen sehen, das treu und zuverlässig die Zeit zählt. Ein Wesen mit einer Bestimmung, das sich dem Schicksal ergeben wird, das sein Schöpfer ihm zugedacht hat. Da surren die kleinen Zahnräder, klicken die Hebel, vibriert die Unruh. Nur wer dieses Zusammenspiel aller einzelnen Teile verstanden hat, kann eingreifen, kann das Schicksal der Maschine, das auch sein Schicksal werden würde, abwenden.«
    Statson blickte Wincover entschuldigend an. »Verzeihen Sie, wenn Ihnen das zu philosophisch ist. Wenn es Ihnen lieber ist, können Sie die Bombe natürlich einfach als eine Maschine betrachten. Eine Maschine aus bekannten Bauteilen in unbekannter Kombination. So gut wie jede Bombe funktioniert nach bekannten Funktionen, das gefährliche ist die unbekannte Kombination. Und genau da konnte die Analyse meiner Maschine helfen. Meine Frau gab mir so viele Beobachtungen zum Äußeren der Bombe durch wie möglich. Diese Informationen verknüpfte ich mit allem Wissen, das ich zum Denken und zur Arbeitsweise von Karl hatte. Auf diese Weise wollten wir die Achillesferse finden, die Stelle, an der die Bombe verletzlich war.«
    Statson machte eine Pause und sah sich im Salon um. Etliche Sessel hatten sich mittlerweile geleert. Im Speisesalon nebenan hatte das Buffet eröffnet und lockte mit Delikatessen von drei verschiedenen Planeten. An den kleinen, runden Fenstern des Salons klappte gerade der Kellner die rot gepolsterte Läden halb vor, da laut Bordzeit der Abend begann. Auf der Halina II tat man alles, seinen Passagieren einen Tagesrhythmus zu simulieren. Im freien Spalt hinter den Läden konnte man Sterne vorbeihuschen sehen. Statson machte eine Geste in ihre Richtung. »Wir Menschen sind Meister darin, uns eine eigentlich tödliche Umgebung so anheimelnd einzurichten, dass wir ganz vergessen, wie wenige Zentimeter uns nur vom Tod trennen. Wir vergessen es so sehr, dass wir oft leichtsinnig werden und ein noch größeres Risiko eingehen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, meine Frau war nicht leichtsinnig. Sie war hoch konzentriert. Sie wusste, was auf dem Spiel

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