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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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stand. Sie wusste, wie viele hundert Leben auf der Migdal von ihrem Handeln abhängig waren. Punkt für Punkt ging sie die Skizze durch, die ich von dem vermutlichen Innenleben der Bombe angefertigt hatte.
    Wincover stutzte. »Wie konnte sie Ihre Skizze sehen?«, fragte er.
    »Ach, das ist so eine andere kleine Erfindung von mir. Unter einem Brett mit Glasdeckel befindet sich ein Metallgitter, das magnetische Felder erzeugt. Auf dem Brett befinden sich feine Metallspäne. Dieses Gerät steht in Ætherfunk-Verbindung mit einem identischen Gerät. Wenn ich auf dem Zweitgerät mit Metallspänen eine Zeichnung anfertige, tastet das Gitter unter dem Brett diese ab, überträgt sie via Funk und bildet sie auf dem Empfängergerät durch die magnetischen Felder nach. Glücklicherweise hatte meine Frau den Prototypen in ihrer Kabine dabei, da wir die Reichweite und die Zuverlässigkeit der Nachbildung testen wollten. Wir konnten ja nicht ahnen, dass aus dem Test Ernst werden würde. Sie musste die Skizze nur noch abzeichnen, dann konnte sie sie mit nach draußen zur Bombe nehmen. Schneller geht es nicht.«
    »Ein interessantes Gerät«, sagte Wincover anerkennend. »Warum haben Sie das noch nicht veröffentlicht?«
    Statson winkte ab. »Es ist sehr kompliziert zu bedienen, muss immer völlig waagerecht aufgestellt werden und versagt leider oft den Dienst. Wer will schon ein Gerät kaufen, das oft nicht funktioniert? Bis zur Serienreife gibt es noch viel zu tun.«
    »Aber dank dieses Geräts hatte Ihre Frau also den vermutlichen Bauplan der Bombe?«
    »Das kann man so sagen, ja.« Ein Mann kam mit unsicheren Schritten in den Salon und ließ sich in einem Sessel unweit der beiden nieder. Wincover war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte in ihm den Mann zu erkennen, der vorhin mit der kühlen Blonden weggegangen war. Der hatte sich ja schnell betrunken, wenn er es war. Hatte sie ihm eine Abfuhr gegeben? Stümper! Aber klar, sie war sicher eine harte Nuss. Ob er sie geknackt hätte? Ach was. Er ärgerte sich, dass er sich heute so leicht ablenken ließ. Es war nicht gut, so leichtfertig zu werden. Nicht bei seinen Jobs.
    »Was kam dann?«, fragte er Statson.
    »Ann fing mit dem Entschärfen an«, antwortete dieser. »Meine Erfindung hatte schließlich eine klare Empfehlung abgegeben. Meine Frau arbeitete sich vor, löste Schraube um Schraube. Wir berieten uns über jeden Schritt. Es fällt verdammt schwer, sich zu konzentrieren, wenn das Leben der eigenen Frau auf dem Spiel steht und man nicht bei ihr ist.«
    »Karl hatte also erreicht, was er wollte«, sagte Wincover.
    »Fast. Es fehlte nur noch das i-Tüpfelchen seines Plans. Er wollte mir beweisen, dass ich einen Denkfehler gemacht hatte. Und er hatte recht!«
    Wincover wurde aus Statson nicht schlau. Er hatte versucht, wie man das als Zuhörer automatisch tat, das Ende der Geschichte zu erahnen. Erzählte Statson ihm hier eine Tragödie oder kam er im allerletzten Moment mit einem Happy End um die Ecke? Statsons Tonfall hatte den gleichen eifrigen und engagierten Klang, der seinen Vortrag zu einem Genuss gemacht hatte. Aber was beim Vortrag über eine Maschine angebracht war, wirkte bei der Geschichte über die Todesgefahr, in der die eigene Frau geschwebt hatte, gefühllos. Statson ließ sich einfach nicht in die Karten schauen.
    »Nun spannen Sie mich nicht länger auf die Folter«, drängte Wincover. »Ich gebe auch noch eine Runde Portwein aus.« Er winkte dem Kellner zu, der sich an der Theke mit der Reinigung der Mocca-Maschine die Zeit vertrieb.
    Statson sah Wincover wie ein Professor an, der sich über einen frechen Einwand eines seiner Studenten ärgerte. Dann gab er sich einen Ruck. »Sie haben recht, ich sollte aus dieser Situation keine heischende Geschichte machen.« Er räusperte sich. »Kurz und gut, am Ende landeten wir doch bei der Frage ›Knopf oder Kabel?‹. Beziehungsweise in diesem Fall: Soll Ann das kleine Rad blockieren oder das große? Unglücklicherweise gab meine Maschine hierfür einen expliziten Rat.«
    »Unglücklicherweise?«
»Ja, denn wir folgten dem Rat, meine Frau blockierte gerade das kleine Rad mit einem Draht und kommentierte dies, als ein hohes Pfeifen scharf in meine Ohren drang, gefolgt von einem geradezu wütenden Rauschen. Sie ... – sie ...« Statson stockte heiser. Er konnte nur mit leiser Stimme fortfahren. »Ich habe nie mehr von ihr gehört ... – die Bombe war explodiert und hatte alle an Bord in den Tod gerissen.«

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