Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
Lebens, daher hatte ich die Maschine nicht mit Daten über ihn bestückt. Er war buchstäblich ein unbeschriebenes Blatt für meine Maschine.«
»Also ist Ihre Maschine doch nicht allwissend.«
»Nein, aber das war von vorneherein klar. Das ist sozusagen der Unterschied zwischen Intelligenz und Bildung. Auch ein hochintelligenter Mensch kommt ums Lernen nicht herum. Die Frage ist nur, was macht er aus den Dingen, die er gelernt hat? Und nutzt er das Potenzial, das ihm sein Schöpfer mitgegeben hat?«
»Nutzt Ihre Maschine das Potenzial, dass Sie Ihr mitgegeben haben?«
Statson fühlte sich bei diesem Vergleich sichtlich geschmeichelt. »Ich würde mit Ja antworten, denn meine Maschine war mir in dieser Sache immer noch von Hilfe. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.«
»Inwiefern?«, fragte Wincover.
»Karls Plan war perfide, weil er meine Maschine bewusst einplante. Wie sehr, konnte ich damals nicht ahnen. Er schickte Ann auf eine einsame Schnitzeljagd nach der Bombe. An verschiedenen Orten an Bord hatte er Zettel mit Informationshäppchen hinterlassen. Sie alle verrieten Details zum Aufenthaltsort der Bombe und ihrer Bauweise. Er wusste, dass meine Frau sich via Ætherfunk mit mir in Verbindung setzen würde. Dass ich verzweifelt versuchen würde, ihr Leben zu retten, und dass ich dazu eben jene Maschine einsetzen würde, wegen der Karl und ich uns damals zerstritten hatten.«
Statson gab dem Kellner einen Wink mit dem Glas. Dieser kam sofort mit der richtigen Flasche Portwein an und schenkte nach. Statson drückte ihm ein Euro-Pfundstück in die Hand. Der Kellner verbeugte sich elegant und nickte auch Wincover kurz zu, bevor er zur Bar zurückging. Wincover schätzte diese Fluglinie und ihr Personal. Ausgebildete Leute, die ihr Handwerk noch verstanden. Sie waren immer zur Stelle, wenn man sie brauchte.
Statson bemerkte seinen Blick. »Gutes Personal, was? Meine Frau flog damals übrigens mit derselben Fluglinie, auf der Migdal , einem Schwesterschiff der Halina II . Sie kannte viele der Angestellten. Etliche halfen ihr hinter dem Rücken des Kapitäns und vertrauten ihrem Urteil trotz des ersten Fehlgriffs. Gemeinsam arbeiteten wir ein Profil heraus, um uns zu den vorhandenen Informationen von Karl weiter heranzutasten. Wie groß eine Bombe sein musste, die man an Bord schmuggeln konnte, und ob sie dort vielleicht erst zusammengebaut wurde. Wir kamen zu dem Schluss, dass sie so oder so nicht sehr groß sein konnte. Wie viele Orte also gab es, an denen eine relativ kleine Bombe platziert werden musste, um in der Lage zu sein, das gesamte Schiff zu zerstören? Denn davon hatte Karl ja gesprochen, von der Vernichtung aller. Es gab nur wenige neuralgische Punkte, die diese Bedingung erfüllten. Etliche halfen ihr bei der Suche, gingen mit uns die Pläne noch einmal durch, als die erste Suche erfolglos blieb.«
Wincover stutzte. »Kann so eine Suche denn unbemerkt bleiben? Muss der Kapitän da nicht irgendwann Lunte riechen?«
»Weiß Ihr Vorgesetzter denn alles, was in der Firma vorgeht?«
»Ich arbeite eher im Außendienst, daher ist der Kontakt zu ihm eher lose.«
Statson hob die Augenbrauen. »Nicht das Schlechteste, keineswegs. Ich hatte in meiner Lehrzeit den Büroleiter in meinem Rücken sitzen, da gab es Szenen, die habe ich bis heute nicht vergessen. Aber lassen wir das. Betrachten Sie allein die Größe des Schiffes, das uns beide in diesem Moment zur Station auf dem Jupitermond Ganymed bringt. Spüren Sie die gewaltige Kraft der Turbinen, die diesen Koloss antreiben. Dieses Schiff ist nichts anderes als eine mobile Stadt. Bei diesen Dimensionen können Sie nicht alles kontrollieren.«
Wincover wollte etwas entgegnen, verkniff es sich aber, als Statson abwehrend die Hand hob. »Dieses Problem war sowieso zweitrangig, da ein erheblicher Teil der Suche an der Außenwand des Schiffs stattfand, an einem Ort also, an dem man selten von ungebetenen Besuchern überrascht wird. In der Tat stellte sich schließlich heraus, dass sich die Bombe auf einem der Außenträger mit den Antriebspropellern befand. Sensible Dinger, die von den Maschinisten jeden Tag geprüft werden. Jeden Tag muss einer auf einem schmalen Laufsteg rausgehen und nachschauen, ob sie noch einwandfrei laufen. Unterhalb des Laufstegs eines dieser Propeller war die Bombe angebracht. So raffiniert, dass ihre Explosion an dieser Stelle ein Loch in das Gerüst des zeppelinförmigen Ætherschiffs reißen würde. Die Migdal wäre nicht mehr
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