Die Steine der Fatima
dem wir nicht einmal die Herkunft kennen, jemand, der Euch bereits Schaden zugefügt hat«, sagte er und senkte seine Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern. »Ich denke an die goldhaarige Sklavin.«
Nuh II. sah Ahmad scharf an. »Du meinst…«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür.
»Was ist denn nun schon wieder?«, brüllte Nuh II.
»Ich bitte vielmals um Vergebung, Herr«, sagte ein Diener und verneigte sich tief. »Eure Gemahlin wünscht Euch zu sprechen. Darf…«
Der Emir knirschte mit den Zähnen. »Ich glaube nicht, dass ich in der Stimmung bin, eines dieser verruchten Weiber zu sehen. Welche ist es denn?«
»Es ist Mirwat, Herr«, antwortete der Diener und verneigte sich erneut. »Sie bat, Euch zu sprechen. Es sei von großer Wichtigkeit.«
Ahmad konnte sehen, wie die angespannten Züge des Emirs bei Mirwats Namen weich wurden. Selbst in dieser Stunde vermochte er seine Zuneigung zu dieser Frau nicht zu verbergen.
»Nun, dann schick sie zu mir«, sagte er und versuchte, seiner Stimme einen barschen Klang zu verleihen – vergeblich, wie Ahmad fand.
Verständnislos schüttelte Ahmad den Kopf. Wenn Nuh II. eines Tages seinen Thron verlieren würde, dann bloß wegen einer Frau. Der alte Trottel war nicht in der Lage, auch nur einen Augenblick lang seine Triebe zu zügeln.
Und dann trat Mirwat ein. Und Ahmad vergaß, woran er eben noch gedacht hatte, seine Empörung über die gotteslästerliche Tat der Frauen, sein mangelndes Verständnis für den Emir, alles.
Mirwat war verschleiert, so wie es der Koran verlangte. Weder ihre Hand- noch Fußgelenke waren zu sehen, kein einziges Haar lugte unter dem undurchsichtigen schweren Stoff hervor. Lediglich ihre Augen waren sichtbar, groß, dunkel und betörend schön. Allein diese Augen waren in der Lage, den Verstand eines Mannes zu verwirren und ihn zu verzaubern. Mirwat verbeugte sich mit einer Anmut vor ihrem Gemahl, die Ahmads Herz höher schlagen ließ. Welch eine Tugend! Nur Allah in seiner großen Güte und unermesslichen Barmherzigkeit konnte ein derart vollkommenes Geschöpf erschaffen. Der Anblick dieses Weibes war eine Wohltat für die geschundene Seele eines Mannes.
»Verzeiht, mein Gebieter, dass ich Euch derart ungebeten belästige.« Sie verneigte sich erneut. Ihre Stimme klang süßer als der Gesang einer Nachtigall.
»Wie könnte mich dein Anblick belästigen, meine Rose?«, erwiderte Nuh II. erhob sich und ergriff ihre Hand. »Allah selbst muss deine Schritte zu mir gelenkt haben. Dass du mich ausgerechnet in dieser schwarzen Stunde aufsuchst, ist ein willkommenes Geschenk für einen armen, schwer vom Unglück heimgesuchten Mann.«
»Eben darum bin ich gekommen«, sagte Mirwat. »Ich muss mit Euch darüber sprechen.«
Ahmad wollte sich erheben, um den Raum zu verlassen, doch Mirwats süße Stimme hielt ihn zurück.
»Wenn mein Gebieter es gestattet, so bleibt, Ahmad al-Yahrkun, verehrter und geschätzter Freund meines Herrn.« Sittsam senkte sie den Blick, als Ahmad sie überrascht ansah. »Verzeiht mein ungebührliches Verhalten, aber diese besorgniserregende Situation erfordert es. Nuh II. mein Gebieter, braucht jetzt jeden Beistand, den er bekommen kann. Und Euer kluger Rat, Eure Weisheit werden in dieser heiklen Angelegenheit besonders willkommen sein.«
Ahmad sah Nuh II. fragend an. Der Emir nickte kurz, und Ahmad ließ sich wieder auf seinem Polster nieder.
Nuh II. führte Mirwat zu einem der Sitzpolster und gab ihr die Erlaubnis, sich zu setzen.
»Was hast du mir zu sagen, meine Rose?«, fragte er, und in steinern Blick und seiner Stimme lag eine Zärtlichkeit, die Ahmad nachvollziehen konnte. Diese Frau, dieses vollkommene, liebreizende Geschöpf war in der Tat ein Geschenk Allahs.
Mirwat hielt ihre Hände in den weiten Ärmeln ihres Gewands verborgen und sah zu Boden. »Verzeiht, aber ich musste kommen, mein Gebieter. Was heute in der Halle geschehen ist, ist entsetzlich. Es beschämt mich zutiefst, wie eine Frau es wagen konnte, jeden Anstand und die Gebote unseres Propheten mit Füßen zu treten und ohne…« Ihre Stimme brach, und sie schloss die Augen, als würde sie nicht einmal wagen, an diese Ungeheuerlichkeit zu denken. »Verzeiht, aber ich kann es immer noch nicht fassen.«
Nuh II. ließ sich neben sie auf das Sitzpolster nieder, nahm ihre Hand und tätschelte sie beruhigend, während er Ahmad einen Wink gab, einen Becher mit Wasser zu füllen.
»Nicht doch, nicht doch, meine Rose. Das hat doch nichts
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