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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sicher nicht so schnell vergessen würde.
    Ahmad eilte in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den niedrigen Tisch und begann damit, ein Schreiben an Ali al-Hussein zu verfassen. Als er fertig war, fügte er diesem noch eine Einladung zu einem Festessen bei, rief einen Diener zu sich, der beide Schreiben zu Nuh II. bringen sollte, damit dieser sie unterzeichnen und mit seinem Siegel versehen konnte. Während der Diener noch unterwegs war, nutzte Ahmad die Zeit und begab sich persönlich zur Küche. Die Küchensklaven, die gerade mit Aufräumen, Putzen und den Vorbereitungen für den kommenden Tag beschäftigt waren, erschraken, als sie den Großwesir so unverhofft vor sich stehen sahen. Sie beugten ihre Köpfe noch tiefer über das Gemüse und kneteten den Teig noch eifriger als zuvor. Ahmad hörte fast das Aufatmen der Sklaven, als er lediglich den Koch zu sich winkte, um dem beleibten, glatzköpfigen Mann Anweisungen für ein Festmahl am folgenden Abend zu geben. Als er die Küche wieder verließ, traf er den Diener, den er zum Emir geschickt hatte, mit den unterzeichneten Schriftstücken. Ahmad sah sie sich noch einmal gründlich an, rollte sie dann zusammen und übergab sie einem Boten mit dem Auftrag, sie auf der Stelle und ohne Verzögerung zu Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina, dem Leibarzt des Emirs von Buchara, zu bringen.
    Als Ahmad so weit alles erledigt hatte und endlich wieder sein Arbeitszimmer betrat, war es bereits Nacht. Doch er konnte sich noch nicht zur Ruhe begeben, eine Sache musste zuvor erledigt werden. Rasch schrieb er die Nachricht auf ein kleines Stück Papier. Morgen noch vor dem Morgengebet würde er Saddin treffen und ihm den Auftrag erteilen, der Sklavin den Stein abzunehmen, sie zu töten und alle Spuren zu verwischen.
    Ahmad glaubte nicht recht daran, dass es sich bei der blonden Frau tatsächlich um eine Hexe handelte. Hexen waren Märchengestalten, die in der Welt eines Gläubigen keinen Platz hatten. Aber er glaubte an die geheimnisvolle Macht des heiligen Steins. Wer konnte schon sagen, in welcher Weise sich der Stein der Fatima missbrauchen ließ und welche bösartigen Kräfte er verlieh, sobald er in die falschen Hände geriet? Nicht mehr lange, dann würde er selbst der Hüter des Steines sein. Er würde sich der Verantwortung gegenüber den Gläubigen bewusst sein, der Aufgabe, die zerstrittenen Söhne Allahs wieder zu vereinen. Er würde dieses heilige Kleinod verwahren und behüten und – falls es sein musste – sogar mit seinem Leben beschützen.
    Ahmad rollte die Nachricht zusammen und steckte sie in eine kleine lederne Röhre. Dann ging er zum Fenster. Es war schon spät. Über dem Palast stand der Mond, und die Sterne funkelten am nächtlich dunklen Himmel. Es war still, die Lichter hinter den Fenstergittern waren erloschen, alle Bewohner des Palastes schienen zu schlafen. Lediglich ein paar Fledermäuse flatterten auf der Jagd nach Insekten um die Türme herum. Die Tauben auf dem Sims schliefen, die Köpfe unter ihre Flügel gesteckt. Als Ahmad jedoch das hölzerne Gitter öffnete, erwachten sie. Sie erkannten ihren Herrn, gurrten, kamen näher, rieben zutraulich ihre Köpfe an seiner Hand und pickten die Hirsekörner, die er ihnen hinhielt. Ahmad sprach eine Weile leise mit den Tauben und langte schließlich nach der grauen. Mit schnellen, geübten Handgriffen band er ihr die kleine Röhre ans Bein, streichelte ihr noch einmal zärtlich über das Gefieder und ließ sie auf. Er sah zu, wie sie höher und höher stieg, einen Kreis über der im Mondschein golden schimmernden Kuppel des Palastes drehte und schließlich gen Westen davonflog. Welch ein Wunder, dass Tauben auch während der Nacht in vollkommener Dunkelheit ihr Ziel fanden. Wie großartig und wunderbar war doch Allahs Schöpfung.
    Ahmad schloss das Fenstergitter und entrollte seinen Gebetsteppich. Es war zwar außerhalb jeder Gebetszeit, aber er musste Allah danken, jetzt auf der Stelle. Wieder einmal hatte Er Seine unergründliche Weisheit gezeigt und Seinem unwürdigen Diener bewiesen, dass Er alles zum Wohle der Seinen richten würde. Ahmad sank auf dem kostbaren Teppich auf die Knie und verneigte sich voller Demut vor der Macht und der Größe Allahs, bis seine Stirn den Boden berührte.

14
     
     
     
    Ali al-Hussein erhielt am späten Abend durch einen Boten das Schreiben des Emirs von Buchara. In diesem Brief wurde ihm mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Verdienste um die Gesundheit Nuh II. ibn

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