Die Steine der Fatima
Beatrice.
»Dich trifft keine Schuld.«
Beatrice seufzte. »Da wäre ich mir nicht so sicher.« Sie biss sich auf die Lippe. »Ich habe ihnen schließlich immer wieder von ihren Rechten erzählt und damit das Ganze erst in Gang gebracht.«
»Dennoch war es ihre Entscheidung. Sie leben schon länger hier als du, Beatrice. Sie sind hier aufgewachsen, wurden hier erzogen. Sie kennen unsere Sitten, sie kennen die Männer in unserem Land. Wären sie klug gewesen, hätten sie mit diesen Konsequenzen gerechnet und ihre Entscheidung vielleicht noch einmal überdacht.«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Ja, aber ich hätte ebenfalls daran denken müssen. Ich hätte mich zurückhalten sollen. Immerhin kenne ich die Geschichte…«
Sekireh runzelte die Stirn. »Was hast du vor, Beatrice?«, fragte sie besorgt. »Du willst doch nicht…«
»Ich weiß noch nicht, was ich tun werde«, erwiderte Beatrice heftiger als beabsichtigt. »Aber ich werde auf keinen Fall zusehen, wie man Jambala für etwas zur Rechenschaft zieht, das ich zu verantworten habe.«
Sekireh sah Beatrice lange an. »Ganz gleich, was ich jetzt sage, du wirst das tun, was du für richtig hältst. Dennoch bitte ich dich, denke noch einmal in Ruhe darüber nach. Überstürze nichts. Gehe in dein Zimmer zurück und schlafe eine Nacht, bevor du etwas unternimmst. Ich möchte nicht, dass auch du dich ins Unglück stürzt, nur um einer Frau zu helfen, die es hätte besser wissen müssen.«
»Wir werden sehen…«
Sekireh seufzte. »Ich mache mir Sorgen, Beatrice. Ich fürchte, du wirst eine Dummheit begehen. Bitte, sei vernünftig.«
Sie drückte Beatrices Hand und ging dann in ihr Zimmer. Eine Weile blieb Beatrice noch vor der verschlossenen Tür stehen. Was sollte sie jetzt tun? Sollte sie sich direkt zum Emir begeben und vor Nuh II. die Verantwortung für alles übernehmen? Ratlos strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. Wahrscheinlich hatte Sekireh in einem Punkt recht, sie sollte sich erst einmal zurückziehen und über alles in Ruhe nachdenken. Und dann würde sie entscheiden, was sie tun konnte, um ihre Schuld abzutragen.
»Wo war Jussuf? Verflucht soll er sein, dieser Versager, dieser Taugenichts! Wozu habe ich ihn zum Ersten Eunuchen meines Harems ernannt, wenn er seine Aufgabe nicht erfüllt? Und wo waren die anderen Eunuchen? Warum um alles in der Welt füttere ich diese nutzlosen Kerle durch, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, die Frauen in Schach zu halten und so etwas zu verhindern?«
Nuh II. tobte. Das Gesicht des Emirs war dunkelrot angelaufen, auf seinem Seidenhemd hatten sich dunkle Schweißflecken gebildet. Er raste förmlich durch das Zimmer, und was ihm im Weg lag, erhielt einen Tritt oder wurde zur Seite geschleudert.
Diesmal vermochte Ahmad den Zorn des Emirs sogar zu verstehen. Auch er bebte vor Entrüstung. Wie konnten es die Frauen wagen, eines der Gebote des Propheten zu verletzen? Wer hatte ihnen die Idee eingepflanzt, sie müssten sich wie die Unreinen und Ungläubigen, wie Huren und Barbarinnen unverschleiert vor den Männern zeigen? Wo sollte ein derartig sündhaftes Verhalten hinführen, wenn nicht direkt zu den Pforten der Hölle?
»Ich will den Kerl sehen!«, schrie der Emir. »Ich will wissen, was er zu seiner Verteidigung vorzubringen hat!«
Wieder flog ein Gegenstand quer durch den Raum, diesmal eine Messingschale mit Datteln. Ein Diener, der nur wenige Schritte neben der Stelle stand, wo die Schale die Wand traf, sprang erschrocken zur Seite.
»Hast du mich nicht verstanden?«, brüllte Nuh II. den völlig Verängstigten an. »Bringe mir diesen Halunken. Und zwar sofort!«
»Herr, meint Ihr Jussuf, den Eunuchen?«, fragte der Diener schüchtern.
»Nein, den Scheich von Bagdad!« Nuh II. riss sich seinen Turban vom Kopf und schlug damit wie von Sinnen auf den Diener ein. »Hat Allah dich mit Dummheit geschlagen? Natürlich meine ich Jussuf! Von wem habe ich denn die ganze Zeit gesprochen?«
Verzweifelt verbarg der Diener seinen Kopf zwischen seinen Armen und duckte sich unter den Schlägen.
»Ja, Herr, sofort, Herr!«, stammelte er. »Ich werde Jussuf zu Euch bringen, Herr!«
»Dann nimm die Beine in die Hand und verschwinde endlich!«, schrie Nuh II. hinter dem armen Diener her, der hinauslief, als würde er von mindestens einem Dutzend Dämonen verfolgt.
Schwer atmend ließ sich Nuh II. auf eines der Sitzpolster fallen und wischte sich erschöpft den Schweiß von der Stirn.
»Womit habe ich das verdient,
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