Die Steine der Fatima
Frau, die hier vor ihm stand, war die geheimnisvolle Frau aus dem Norden, jene, die dem Emir die Nase gebrochen hatte.
Ali wurde schlagartig klar, dass diese Auszeichnung und das damit verbundene Festmahl lediglich ein Vorwand gewesen waren. Nuh II. wollte diese gefährliche Sklavin loswerden, ohne sein Gesicht dabei zu verlieren. Und wer eignete sich besser dazu als der Arzt, der dieses gefährliche Weib ja bereits kannte?
»Ali al-Hussein, verehrter und geschätzter Freund«, begann sein Gastgeber und tätschelte scheinbar liebevoll die Hand der Frau. Dabei hatte Ali den Eindruck, dass sie versuchte ihm ihre Hand zu entziehen. »Wie Ihr vielleicht wisst, trenne ich mich nur ungern von Dingen, die mir am Herzen liegen. Das gilt für Pferde ebenso wie für Frauen. Aber ich habe Euch so viel zu verdanken, dass ich zu einem großen Opfer bereit bin. Ich möchte Euch hiermit Euer Geschenk überreichen, ein besonderes Kleinod aus meinem persönlichen Harem. Sie ist eine Frau von unvergleichlicher Schönheit und ebenso herausragender Tugend.« Der Emir sah die Frau an und seufzte. »So übergebe ich sie jetzt in Eure Hände. Ihr braucht Euch jedoch nicht zu fürchten, Ali al-Hussein, wir wollen heute nicht auch noch Eure Hochzeit feiern. Dass sie dennoch Hochzeitskleidung trägt, soll lediglich ein Symbol sein. Ein Symbol, dass sie Euch in Zukunft ganz gehört. Sie ist jetzt Euer, Ihr könnt mit Ihr verfahren, wie es Euch beliebt. Aber ich bitte Euch, behandelt sie gut, denn nur schweren Herzens trenne ich mich von dieser außergewöhnlichen Schönheit.«
Er bat Ali mit einer Geste, sich zu erheben. Ali stand auf und ging zu Nuh II. der ihm vor den Augen aller Gäste die Hand der Frau übergab. Ali nahm ihre schlanke Hand in seine eigene und versuchte zu lächeln.
»Ich… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, stammelte er. »Mit einem derartig… großzügigen Geschenk habe ich nicht gerechnet. Ich werde sie in Ehren halten. Habt Dank, Nuh II. ibn Mansur.«
Er hauchte einen Kuss auf den Handrücken der Frau, der von Nuh II. und seinen Gästen mit Beifall und Jubel aufgenommen wurde. Ali lächelte in die Runde. Er fühlte sich wie ein Heuchler. Am liebsten wäre er auf der Stelle aufgebrochen und mit all seinem Hab und Gut bis ans andere Ende der Welt gereist. Dann sah er die Frau an. Zwischen ihren Augen hatte sich eine steile Falte gebildet, und zornig funkelte sie ihn an.
Vielleicht will er sie doch nicht einfach nur loswerden, dachte Ali unglücklich. Vielleicht will er mich auf besonders heimtückische Weise umbringen.
Nuh II. und Ali setzten sich wieder, und der Frau wurde ein Platz zu Alis Füßen zugewiesen. Nuh II. und seine Gäste unterhielten sich prächtig. Die Musiker spielten fröhliche Lieder, die Gäste tauschten Scherze aus, so manchen davon auf Alis Kosten, es wurde geredet und gelacht.
Geistesabwesend stimmte Ali in das Gelächter ein.
Niemandem schien aufzufallen, dass er mit seinen Gedanken nicht bei den heiteren Geschichten war, die die anderen zum Besten gaben. Er beobachtete die Frau. Seit sie ihren Platz zu seinen Füßen eingenommen hatte, hatte sie ihre Haltung nicht mehr verändert. Regungslos wie eine Statue saß sie da. Und doch hatte Ali den Eindruck, dass es unter dem Schleier kochte und brodelte. Eines stand fest – sie schien von diesem Arrangement ebenso überrascht worden zu sein wie er selbst. Und ebenso wie er war auch sie nicht begeistert.
Ali seufzte. Was soll ich nur tun?, dachte er. Wie werde ich dieses Weib wieder los?
Mitternacht war schon lange vorüber, als der Emir endlich das Festmahl für beendet erklärte und die Sänften für seine Gäste holen ließ. Ali und die Frau saßen einander direkt gegenüber. Keiner sah den anderen an, kein Wort wurde gesprochen. Es war jedoch nicht das wohlige Schweigen zweier Menschen, die einen angenehmen Abend miteinander verbracht hatten. Im Gegenteil, die Atmosphäre war so spannungsgeladen, dass man es förmlich auf der Haut prickeln fühlte.
Ali atmete erleichtert auf, als die Trägersklaven schließlich vor seinem Haus anhielten und sowohl ihm als auch der Frau beim Aussteigen behilflich waren. Zweifelnd blickte er an der Fassade empor. Dieses Haus, sein Heim, war bislang ein friedliches Haus, ein Hort der Ruhe und des Wohlergehens gewesen. Er hatte sich unter diesem Dach wohlgefühlt, seit er denken konnte. Aber wie sollte das Leben werden, wenn plötzlich eine Frau, und noch dazu diese Frau, mit ihm hier wohnte? Er
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