Die Steine der Fatima
Hause. Sie war ein Geschenk, eine Sklavin, nichts weiter.
Ich muss ihr das austreiben, sonst bin ich schon bald ein Fremder in meinem eigenen Haus, dachte er. Doch jetzt bin ich zu müde. Morgen, gleich morgen früh werde ich mit ihr darüber reden.
Das kleine Zimmer, das Ali und der alte Diener als Patientenkammer bezeichnet hatten, war tatsächlich sehr spartanisch eingerichtet. Es gab nur ein schmales Bett und einen Tisch, keine Teppiche, keine Sitzpolster, keine Vorhänge. Nach dem märchenhaften Luxus im Palast kam es Beatrice vor, als wäre sie in einem Gefängnis oder hinter Klostermauern gelandet. Doch wenigstens war der Raum sauber. Sowohl die Wäsche als auch die weiß getünchten Wände und der Sandsteinboden rochen angenehm frisch nach Minze.
»Verzeiht, Herrin, dies ist wahrlich eine unwürdige Unterkunft für eine Dame«, sagte Selim und hob bedauernd die Schultern. »Früher war hier das Schreibzimmer untergebracht. Nach dem Tode seines Vaters ließ mein Herr alle Möbel und Teppiche entfernen und dieses Bett hereinstellen. Er pflegt hier Kranke zu behandeln. Aber seid unbesorgt, mein Herr besteht darauf, dass die Patientenkammer täglich gereinigt wird. Er lässt sogar die Wände frisch kalken, wenn er hier einen Kranken beherbergt hat.« Selim stieß einen Seufzer aus. »Dabei gibt es in diesem Haus wertvolle Teppiche und erlesene Möbel genug, um auch diese Kammer standesgemäß auszustatten. Ich wünschte…«
»Es ist schon in Ordnung, Selim«, unterbrach Beatrice ihn freundlich. Der alte Mann machte ein so unglückliches Gesicht, dass er ihr leid tat. »Das Zimmer ist sauber, und das ist die Hauptsache. Außerdem hat Ali, dein Herr, recht. Es ist schließlich nur für kurze Zeit. Ich werde schon nicht daran zugrunde gehen.«
Selim seufzte erneut und sah sich zweifelnd in der Patientenkammer um. »Ich glaube, ich werde Euch noch ein paar Kissen bringen, damit Ihr es bequemer habt, Herrin.«
»Das wäre wirklich nett. Vielen Dank.«
»Ihr könnt mir jederzeit sagen, was Ihr braucht«, meinte der Alte freundlich. »Ich werde sofort versuchen, es zu beschaffen. Dennoch möchte ich Euch bitten, in den ersten Tagen über so manchen Missstand gnädig hinwegzusehen, Herrin. Ihr werdet sicherlich vieles vermissen, andere Gepflogenheiten in diesem Hause werden nicht Euren Gewohnheiten entsprechen. Wir haben nicht einmal ein Mädchen, das Euch zur Hand gehen könnte. Ihr werdet deshalb anfangs mit mir vorlieb nehmen müssen. Ich bitte Euch schon jetzt um Vergebung. Ich bin ein ungeschickter und unwissender alter Narr. Nie zuvor habe ich einer Dame dienen dürfen, und es fehlen mir selbst grundlegende Kenntnisse. Aber ich bin bereit zu lernen. Und wenn wir auch in diesem Haushalt nicht auf die Bedürfnisse einer Dame eingestellt sind, so versichere ich Euch, dass ich mein Bestes geben werde, um diese katastrophale Situation zu beheben. Ich wünsche mir, dass dieses Haus schon bald zu Eurem Heim wird und Ihr Euch hier wohlfühlt.«
»Ich danke dir für deine gütigen Worte, Selim«, sagte Beatrice. »Und ich möchte dir ein Versprechen abnehmen. Auch für mich ist diese Situation neu und ungewohnt. Wenn ich ehrlich bin, fürchte ich mich sogar ein wenig davor, mit Ali al-Hussein unter einem Dach zu leben. Wenn du also der Meinung bist, ich hätte einen groben Fehler begangen oder mich ungebührlich verhalten, so bitte ich dich, mir das zu sagen. Ebenso möchte ich dich bitten, mich in die Gewohnheiten deines Herrn einzuweihen. Ich weiß, er ist ein angesehener, viel beschäftigter Arzt, und ich möchte daher seinen Tagesablauf so wenig stören und durcheinander bringen wie möglich. Willst du mir das versprechen?«
»Ja, Herrin, mit Freuden.«
Der alte Diener sah sie so offen an, dass Beatrice regelrecht warm ums Herz wurde. Wenigstens einen Verbündeten hatte sie bereits in diesem Haus.
»Wie wäre es, wenn wir nach dem Morgengebet, sobald deine vielfältigen Pflichten es zulassen, damit beginnen würden?«
Selim nickte eifrig. »Mein Herr steht immer sehr zeitig auf, Herrin. Nach dem Morgengebet nimmt er ein leichtes Frühstück zu sich und beginnt dann, seine Patienten zu behandeln. In dieser Zeit braucht er seine Ruhe, sodass ich Euch das Haus zeigen kann und Ihr mir alles nennen könnt, was zu Eurer Bequemlichkeit noch fehlt.«
»Danke, Selim«, sagte Beatrice. »Und nun begib auch du dich zur Ruhe. Die Nacht ist nur noch kurz und der nächste Tag voller Pflichten. Auch du brauchst deinen
Weitere Kostenlose Bücher