Die Steine der Fatima
duftenden Wasser wusch und anschließend abtrocknete. »Aber darf ich nun den Grund erfahren, weshalb Ihr mich habt rufen lassen?«
»Der Grund«, wiederholte der Emir langsam und flüsterte dann dem Diener, der ihm das Wasserbecken reichte, etwas zu. Seinen Frohsinn schien Nuh II. plötzlich verloren zu haben. Mit einem Schlag sah er ernst und bekümmert aus. »Vor einigen Tagen kaufte ich von Omar al-Fadlan, dem Sklavenhändler, eine Frau für meinen Harem. Sie ist sehr schön, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Sie spricht kein Wort, isst kaum etwas und zeigt keinerlei Regung. Sie wirkt, als wäre sie in einem Traum gefangen.« Er stieß einen Seufzer aus. »Das Schlimmste ist jedoch, dass die anderen Frauen nichts mit ihr zu tun haben wollen. Vom ersten Tag an haben sie sie gemieden. Nun behaupten sie sogar, die neue Sklavin sei verhext. Sie weigern sich, noch länger mit ihr unter einem Dach zu wohnen. Ihr wisst, was das bedeutet?« Der Emir schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Einen Aufstand der Bauern fürchte ich weit weniger als Unzufriedenheit in meinem Harem.«
Ali runzelte die Stirn. »Konntet Ihr denn an ihr die Anzeichen einer Krankheit erkennen?«
»Eben deshalb ließ ich Euch rufen. Mir scheint sie gesund zu sein, aber ich habe auch nicht Euer Urteilsvermögen. Deshalb bitte ich Euch um Euren Rat in dieser Angelegenheit. Es ist zwar nur eine Sklavin, aber ich habe viel für sie bezahlt. Ich habe sie soeben holen und in mein Schlafgemach bringen lassen, wo Ihr sie ansehen könnt.«
Der Emir erhob sich, und Ali tat es ihm gleich. Nuh II. musste in der Tat sehr verzweifelt sein, wenn er einem Mann gestattete, sich einer seiner Frauen zu nähern. Und er fragte sich, warum er die seltsame Sklavin nicht einfach wieder zu Omar al-Fadlan brachte und sein Geld zurückforderte.
Im Schlafgemach des Emirs wartete eine Frau. Sie war in einen Schleier aus hellblauer Seide gehüllt, der selbst aus der Ferne weit kostbarer wirkte, als es einer Sklavin zukam. Regungslos wie eine Statue stand sie in einer Ecke des Raums und hielt ihren Kopf gesenkt wie eine alte, vom Schicksal gebeugte Frau. Neben ihr erblickte Ali einen wahren Riesen von einem Mann. Er trug nur ein Lendentuch und einen Gürtel, von dem ein gebogenes Schwert baumelte, sodass Ali die Muskeln unter seiner dunklen Haut deutlich sehen konnte. Das musste Jussuf sein, der Erste Eunuch im Harem des Emirs. Ali hatte schon viel von ihm gehört, wenn er den Dunkelhäutigen auch bisher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Man sagte, er sei so stark, dass er mit bloßen Händen einem Ochsen das Genick brechen könnte.
»Nun, was meint Ihr, Ali al-Hussein?«, fragte der Emir. »Habt Ihr Euch schon ein Urteil gebildet?«
Ali verdrehte die Augen und wunderte sich einmal mehr über die Naivität der Menschen. Glaubte Nuh etwa, er wäre ein Hellseher? Die Frau vor ihm war verschleiert, und da sie zu Boden blickte, konnte er noch nicht einmal ihre Augen sehen. Wie sollte er da etwas über ihre Gesundheit sagen.
»Ihre Haltung zeugt von großer Traurigkeit und schwerem Leid. Vielleicht steckt ein körperliches Leiden dahinter. Oder es sind auch nur die Schrecken der Gefangennahme, die sie noch nicht verwunden hat«, entgegnete Ali, der schon lange genug Arzt war, um zu wissen, was ein Ratsuchender hören wollte. »Ist Euch bekannt, woher sie stammt?«
Der Emir schüttelte den Kopf. »Nein. Soviel ich verstanden habe, weiß Omar al-Fadlan auch nichts über sie. Er hat sie wohl irgendwo in der Wüste weitab jeglicher menschlicher Siedlung gefunden.«
Ali nickte nachdenklich. »Es tut mir leid, aber ich werde sie untersuchen müssen, wenn ich Euch genauere Auskunft geben soll.« Er hob bedauernd seine Hände. »Ich muss Euch um die Erlaubnis bitten, ihr den Schleier abzunehmen und sie zu entkleiden.«
Der Emir sog hörbar die Luft ein, und eine Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn. »Wie könnt Ihr es wagen…«
»Natürlich steht es Euch frei, mir diese Erlaubnis zu verweigern, Nuh II. ibn Mansur. Ihr seid der Gebieter«, entgegnete Ali ruhig. »Aber dann kann ich nicht für Eure Sicherheit garantieren. Es ist immerhin möglich, dass sie von einer Karawane zurückgelassen wurde, weil sie Zeichen einer ansteckenden Krankheit an ihrem Körper trägt.« Ali, dem die Launen des Emirs allmählich auf die Nerven gingen, zuckte mit den Schultern. »Da Ihr offensichtlich meine Dienste nicht in Anspruch nehmen wollt, werde ich gehen. Aber hört auf meinen
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