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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Doch die Schritte wurden immer lauter und behinderten seine Konzentration, bis er verärgert seinen Vortrag abbrach. Welcher Narr wagte es, ohne seine Erlaubnis den Hörsaal zu betreten und seine Vorlesung zu stören? Angestrengt blickte er in das Halbdunkel des Saals, um den Übeltäter zu erwischen. Er konnte jedoch niemanden sehen. Umso mehr konzentrierte er sich auf das Schlurfen. Schließlich erkannte er an dessen eigenartigem Rhythmus, dass es sich um seinen Diener, den alten Selim, handeln musste, dem Allah eine krumme, bucklige Gestalt verliehen hatte. Aber wieso war Selim hier? In diesem Augenblick begann der Hörsaal vor seinen Augen zu verschwimmen. Und im gleichen Maße, wie die Gesichter der aufmerksamen Studenten ihre Konturen verloren, gewann er die Erkenntnis, dass er nur träumte und gerade aus dem Schlaf gerissen wurde. Ali blieb liegen, ohne sich zu rühren, und hoffte, dass Selim bald wieder gehen würde. Er hatte das sichere Gefühl, dass noch lange nicht die Zeit zum Aufstehen gekommen war. Wenn er die Augen jetzt aufschlug, würde er feststellen, dass es noch dunkel war und nur das silberne Licht des Mondes durch die Fensterläden schien. Wahrscheinlich wollte Selim bloß die Kleider seines Herrn ordnen, oder er hatte vergessen, die Öllampen aufzufüllen. Morgen würde er ihn dafür rügen, aber jetzt wollte er so schnell wie möglich einschlafen und seinen Traum wiederfinden.
    Leider hörte das Tappen und Schlurfen auf den Marmorfliesen nicht auf, und durch die halb geschlossenen Lider sah Ali den schwachen Schein einer einzelnen Öllampe. Er seufzte und setzte sich im Bett auf, noch bevor sein alter Diener ihn erreicht hatte.
    »Was gibt es, Selim?«, fragte er und rieb sich die Augen, die sich nur widerwillig an das Licht der Öllampe gewöhnen wollten.
    »O Herr, verzeiht, dass ich Euch aus der wohlverdienten Nachtruhe herausreißen muss. Der Emir hat einen Boten geschickt. Ihr sollt sogleich zu ihm kommen!«
    »Beim Barte des Propheten!«, rief Ali und sprang aus dem Bett. »Mitten in der Nacht? Was ist es denn dieses Mal? Fällt es dem edlen Herrn wieder einmal schwer, das nächtliche Wasser loszuwerden? Oder kneift sein fetter Bauch, weil er zu viel in Öl gebratenes Hammelfleisch verzehrt hat?«
    »Aber Herr, Ihr solltet Euch nicht…«
    »Was fällt diesem widerwärtigen, feisten Kerl ein, mich mitten in der Nacht zu wecken?«
    »Aber Ihr seid sein Leibarzt, Herr.« Selims schüchterne Antwort war so schlicht und wahr, dass Ali abrupt stehen blieb. Von einem Augenblick zum nächsten verflog sein Zorn, und er musste lachen. Natürlich hatte Selim recht. Er war Leibarzt von Nuh II. ibn Mansur, dem Emir von Buchara. Er war mit seinen zwanzig Jahren sogar der jüngste Leibarzt eines Emirs in der Geschichte dieser Stadt. Und er war stolz auf diese Auszeichnung.
    Ali seufzte und fuhr sich durch sein volles dunkles Haar. »Liegen meine Kleider bereit?«, fragte er. Im gleichen Moment fiel ihm ein, dass er sich die Frage hätte sparen können. Selim nahm seinen Dienst bei einem jungen, aber schon hoch angesehenen Arzt sehr ernst. Und jeden Abend legte der Alte frische Kleidung zurecht, sodass Ali nur noch hineinzuschlüpfen brauchte, wenn er mitten in der Nacht zu einem Patienten gerufen wurde.
    Nachdem er sich rasch angekleidet hatte, ging Ali mit Selim in sein Arbeitszimmer, wo er medizinische Instrumente und Arzneien aufbewahrte. Er öffnete einen Schrank und holte seine große Tasche heraus, die er immer mitnahm, wenn er einen Patienten in dessen Haus aufsuchte. Mit geübtem Blick ging er den Inhalt durch.
    »Hat man wenigstens geruht mitzuteilen, weshalb Nuh II. mich rufen lässt?«
    »Nein, Herr.«
    Ali verdrehte die Augen. Weshalb sollte auch ein Arzt vorher wissen, unter welchen Beschwerden sein Patient litt? War der Emir unverschämt oder einfach nur dumm? Er dachte kurz nach und legte schließlich zu den Pulvern gegen Schlaflosigkeit, Magendrücken und Appetitlosigkeit ein Abführmittel hinzu, das er einer kleinen Schublade entnahm. Er lächelte grimmig. Sollte Nuh ihn wegen einer Lappalie aus dem Schlaf gerissen haben, würde sich der Emir von Buchara morgen anstelle seiner Regierungsgeschäfte einer gründlichen Darmreinigung widmen.
    »Herr, ich habe nach der Sänfte geschickt und…« – »Nein, Selim«, entgegnete Ali, schloss die Tasche und warf sich seinen Mantel über. »Ich gehe zu Fuß zum Palast. Ich kann nicht so lange warten, bis die Sklaven mit der Sänfte bereit

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