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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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vorzufinden. Aber da entdeckte er gerade noch aus dem Augenwinkel eine verschleierte Gestalt. Unauffällig, wie ein Schatten, verließ sie das Schlafgemach durch einen schmalen, hinter einem Teppich verborgenen Spalt. Lautlos schloss sich die Geheimtür hinter ihr und wurde wieder unsichtbar.
    Mirwat!, vermutete Ali, obwohl weder er noch sonst ein Lebender im Vollbesitz seiner Manneskraft Nuhs Lieblingsfrau je zu Gesicht bekommen hatte. Allerdings widmeten die Dichter ihr Verse, besangen ihre unvergleichliche Schönheit und nannten sie »die Rose von Buchara«. Alis Zorn milderte sich. Er war sogar bereit, dem Emir die unangemessen lange Wartezeit zu verzeihen. Keinem Mann war es zu verdenken, dass er seine Beschwerden vergaß und die Gesellschaft der unvergleichlichen »Rose von Buchara« der seines Arztes vorzog.
    »Allah sei mit Euch, Nuh II. ibn Mansur«, begrüßte er den Fürsten und verbeugte sich höflich.
    »Ali al-Hussein, ich freue mich, Euch zu sehen!«, rief der Emir und kam mit ausgebreiteten Armen auf Ali zu, als wäre dieser ein alter Freund, dessen Besuch er schon lange sehnsüchtig erwartet hatte. Er zog Ali an seine breite Brust und küsste ihn sogar auf beide Wangen. »Lasst uns gemeinsam Allah preisen für das Geschenk eines neuen Tages, der sich soeben zu seiner vollen Schönheit zu entfalten beginnt.«
    Welches Leiden auch immer Nuh II. geplagt hatte, die schöne Mirwat schien es bereits kuriert zu haben.
    »Sehr wohl, Nuh II. ibn Mansur«, erwiderte Ali und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Aber lasst uns auch nicht vergessen, Allah für Eure rasche Genesung zu danken. Er scheint Euch bereits von Eurem Leiden erlöst zu haben, ohne dass Ihr meiner Kunst bedurft hättet.«
    Der Emir stutzte und sah den jungen Mann an seiner Seite einen Augenblick so verwirrt an, dass Ali bereits glaubte, Nuh II. habe tatsächlich vergessen, dass er mitten in der Nacht seinen Leibarzt zu sich gerufen hatte. Doch dann hellte sich die Miene des Emirs auf, und lachend schlug er Ali auf die Schulter.
    »Natürlich! Ich ließ Euch rufen! Verzeiht, dass ich Euch den Grund noch nicht erklärt habe. Aber Allah sei Dank, denn nicht ich bin es, der Eure Dienste benötigt.«
    Er nahm Ali beim Arm und führte ihn in den benachbarten Raum, der mit Sitzpolstern und Teppichen überaus bequem ausgestattet war. Der Emir setzte sich auf eines der breiten goldbestickten Sitzkissen, wies Ali an, neben ihm Platz zu nehmen, und klatschte zweimal in die Hände. Sogleich öffnete sich die Tür, und drei Diener traten ein. Auf großen Messingtabletts trugen sie all jene Köstlichkeiten herein, die Ali sich während seiner Wartezeit gewünscht hatte – frische Datteln und Feigen, knuspriges Brot, süßen Honig und weißen Rahm, duftendes Rosenwasser und, in einer glänzend polierten Kupferkanne, würzigen Mokka. Sie stellten alles auf zwei niedrige Tische, schenkten den Kaffee in zwei Tassen und das Rosenwasser in Gläser ein und verließen dann unter Verbeugungen den Raum.
    »Stärkt Euch zuerst, verehrter Freund. Ein Mann sollte weder den Tag noch sein Handwerk mit leerem Magen beginnen.«
    Ali ließ sich das nicht zweimal sagen. Er tauchte das Brot in den weißen Rahm und tröpfelte dann den goldenen Honig darüber, der so süß war, als hätten die Bienen den Nektar im Garten des Paradieses gesammelt. Während sie von den Freuden der Falkenjagd sprachen und der Emir von seinem Lieblingspferd erzählte, das erst vor wenigen Tagen ein Rennen gewonnen hatte, nippte Ali voller Behagen an dem Mokka, der genau so war, wie das alte Sprichwort es verlangte: Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Hölle und süß wie die Liebe. Ali fragte sich zwar immer noch, was Nuh eigentlich von ihm wollte, aber angesichts dieser köstlichen Mahlzeit spielte das nur noch eine untergeordnete Rolle. Er nickte zustimmend, wenn Nuh seine Meinung kundtat, lachte, wenn er einen Scherz machte, und übersah absichtlich, dass der Emir mehr von dem fetten Rahm und dem starken Mokka zu sich nahm, als seiner Gesundheit zuträglich war. Ali war sogar geneigt, seinem Gastgeber die unangemessene Wartezeit zu vergeben.
    Als sie etwa eine Stunde später ihr ausgiebiges Mahl beendet hatten, klatschte der Emir erneut in die Hände, und zwei Diener mit Wasserbecken und Handtüchern kamen herein.
    »Ich danke Euch für die vortreffliche Bewirtung, Nuh II. ibn Mansur. Dies war wahrlich ein vorzügliches Mahl«, sagte Ali, während er sich die Hände in dem nach Nelken

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