Die steinerne Pest
nicht, sie aufzudrücken. Irgend etwas
Schweres blockierte sie. Mike spreizte die Beine, um
festen Stand zu haben, preßte die Handflächen gegen die
Tür und drückte erneut und diesmal mit aller Kraft. Die
Tür bewegte sich, zwar nur ganz langsam, aber sie
bewegte sich. Mike drückte noch fester. Also, ich an
deiner Stelle würde das nicht - begann Astaroth.
Was er noch sagte, hörte Mike nicht mehr. Die Tür gab
mit einem Ruck nach, und in der nächsten Sekunde duckte
er sich unter einer wahren Sturmflut von Möbeln,
Trümmerstücken, Büchern, Geschirr, nautischen
Instrumenten und zerbrochenem Holz, die auf ihn herunterstürzte. Dem Großteil dieses überraschenden
Bombardements konnte er ausweichen, aber als er schon
glaubte, es überstanden zu haben, stürzte etwas Riesiges,
Graues auf ihn herab, und Mike fühlte sich wie von einem
unsichtbaren Faustschlag getroffen und von den Füßen
gerissen. Etwas preßte ihn wie ein Tonnengewicht zu
Boden. Einen Moment lang bekam er überhaupt keine
Luft mehr, und rote und grüne Punkte begannen vor seinen
Augen zu kreisen. Als er wieder sehen konnte, blickte er
in ein steingraues Gesicht.
Mike schrie vor Entsetzen auf. Die schiere Angst gab
ihm die Kraft, den versteinerten Körper von sich herunterzustemmen und auf die Füße zu springen. Die Gestalt
prallte gegen die Wand und zerbrach in mehrere Teile.
Mike wandte entsetzt den Blick ab. »Astaroth«, murmelte
er. »Wo bist du?« Er bekam keine Antwort, aber einen
Moment später tauchte der Kater in der offenen Tür über
ihm auf. Zähne und Klauen hatte er in ein schweres,
ledergebundenes Buch gegraben, das beinahe größer war
als er selbst.
»Was treibst du da?« fragte Mike. »Bist du wahnsinnig?
Wir müssen hier weg!«
Du wolltest doch das Logbuch haben, antwortete Astaroth. Oder soll das alles hier umsonst gewesen sein? Und
jetzt hör auf zu meckern und hilf mir lieber! Mike griff
rasch zu, schob das Buch unter seinen Gürtel und wandte
sich hastig um. Das Schiff zitterte und bebte immer noch.
Mike hörte ein tiefes, ununterbrochenes Rumpeln und
Poltern, das tief aus dem Rumpf des Schiffes heraufdrang,
aber auch einen Laut, der ihm viel mehr Angst einflößte:
das Knirschen von Stein, der allmählich unter einem
unerträglichen Druck zerbrach.
So schnell es in dem unförmigen Taucheranzug möglich
war, lief er auf den Ausgang zu. Das Schiff neigte sich
immer weiter zur Seite, so daß er die letzten Schritte wie
ein Hochseilartist balancieren mußte.
Schnell! kreischte Astaroth. Er bricht! Mike schaffte es
im letzten Moment. Er konnte fühlen, wie der Felsen tief
unter seinen Füßen zerbrach, erreichte mit einem letzten,
großen Schritt die Tür und stieß sich mit aller Kraft ab.
Mit weit ausgebreiteten Armen glitt er ins Wasser hinaus,
während das Schiffswrack unter ihm mit einer fast
majestätisch anmutenden Bewegung zur Seite kippte und
dann zusammen mit einem Großteil des Felsvorsprungs
lautlos in die bodenlose Tiefe zu stürzen begann. Mike
begann verzweifelt Schwimmbewegungen zu machen. Der
Taucheranzug, der eigentlich viel mehr ein
Unterwasserpanzer war und zu einem Gutteil aus dickem
Leinengewebe, Eisen und Kupfer bestand, drohte ihn in
die Tiefe zu reißen, und der Sog des abstürzenden Schiffes
tat ein übriges, um ihn von der rettenden Felswand
wegzuzerren. Mikes Finger glitten über brüchigen Stein,
der unter seinen Handschuhen zerbröckelte, und für einen
Moment war er hundertprozentig davon überzeugt,
abzustürzen und dem Schiff auf seinem Sturz ins Nichts
zu folgen, aber dann fanden seine Hände doch noch Halt.
Mit aller Kraft klammerte er sich fest, biß die Zähne
zusammen und zog sich Zentimeter für Zentimeter an der
Wand in die Höhe, bis es ihm schließlich gelang, sich auf
den Rest des abgebrochenen Felsens hinaufzuziehen.
Keuchend vor Anstrengung fiel er auf die Seite, schleppte
sich so weit vom Abgrund fort, wie es nur ging, und
schloß die Augen.
Er war so erschöpft, daß ihm übel wurde, und vielleicht
war das der einzige Grund, aus dem er nicht das Bewußtsein verlor, denn er hatte Angst, sich übergeben zu
müssen
- was im Taucherhelm nicht nur unangenehm,
sondern durchaus lebensgefährlich werden konnte. Er
blieb bei Bewußtsein, hatte aber nicht mehr die Kraft,
aufzustehen oder sich auch nur um einen Millimeter zu
bewegen. Der Druck, der auf seinem Anzug lastete, wurde
immer unerträglicher. »Astaroth«, flüsterte er. »Du mußt...
Hilfe holen. Ich...
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