Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die steinerne Pest

Die steinerne Pest

Titel: Die steinerne Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
schwieg.
Mike hatte mittlerweile den Abgrund erreicht und sah
sich mit einer neuen Schwierigkeit konfrontiert: Das
Schiff lag fünfzehn oder zwanzig Meter unter ihm auf
einem Felsvorsprung, aber es gab keinen Weg, zu ihm
hinunterzugelangen. Die Wand war so glatt, daß er den
Gedanken, an ihr abwärtszusteigen, sofort wieder verwarf.
Spring einfach, sagte Astaroth. »Zwanzig Meter tief?
Bist du verrückt?« Unter Wasser wiegst du nur einen
Bruchteil deines normalen Gewichts, antwortete Astaroth.
Außerdem bist du gerade fast genauso tief gesprungen. Ja,
dachte Mike. Aber da hatte er festen Boden unter
sich
gehabt, keinen Felsvorsprung, der schon unter seinem
eigenen Gewicht abzubrechen drohte. Aber ihm blieb
keine Zeit, lange nachzudenken. Das Schiff unter ihm
bewegte sich immer noch, und die Risse im Fels waren
nun deutlich breiter geworden. Mike schloß für einen
Moment die Augen, raffte all seinen Mut zusammen und
sprang in die Tiefe. Dicht neben dem muschelverkrusteten
Rumpf des Schiffes glitt er hinunter, schlug ziemlich
unsanft auf und blieb einen Moment auf Händen und
Knien, bis sich der hochgewirbelte Sand wieder weit
genug gesenkt hatte, um etwas sehen zu können.
Als er auf das Schiff zuging, spürte er, wie sich der Boden unter ihm bewegte. Es war, als versuche sich tief im
Inneren des Felsens ein riesiges Etwas aus seinem
Gefängnis zu befreien. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Da
hast du verdammt recht, sagte Astaroth. Mehr nicht, aber
in seiner Stimme war nun ein unüberhörbarer Unterton
von Panik, der Mike dazu brachte, seine Schritte zu
beschleunigen.
Das Schiff war mittlerweile vollends auf die Seite gekippt, so daß er an einer nahezu senkrechten Wand
hinaufklettern mußte, um die Tür zu erreichen, die ins
Innere hineinführte; eine Aufgabe, die er überhaupt nur
deshalb bewältigte, weil das Schiff vollkommen zerstört
war, so daß es überall Trümmerstücke und verbogene
Metallteile gab, an denen seine Hände und Füße Halt
fanden. Trotzdem war er total erschöpft, als er die Tür
erreichte. Sein Herz raste, und er konnte den ungeheuren
Wasserdruck, der auf seinem Anzug lastete, mit jeder
Sekunde mehr spüren. Er bekam kaum noch Luft.
»Wo bist du?« keuchte er. »Die Kapitänskajüte! Wo ist
sie? Schnell!«
Am Ende des Ganges, antwortete Astaroth. Auf der linken Seite... oder auf der rechten... Ich weiß nicht. Das
Ding drehte sich ja andauernd!
Mike schaltete den Scheinwerfer ein, der am Helm seines Taucheranzuges angebracht war, und betrat vorsichtig
den Gang. Ebenso wie der Rest des Schiffes bot er einen
unheimlichen Anblick. Boden und Wände hatten ihre
Plätze getauscht, und auch hier drinnen war alles
vollkommen verwüstet.
Endlich erreichte er das Ende des Ganges. Es gab zwei
Türen; da das Schiff auf der Seite lag, eine im Boden und
eine in der Decke. Beide waren geschlossen. Mike ließ
sich behutsam in die Knie sinken, tastete nach dem Riegel
und zog ihn mit einiger Mühe auf. Um ein Haar wäre er
kopfüber in die Tiefe gestürzt. Die Tür öffnete sich nach
innen, was bedeutete, daß sie wie eine Falltür unter ihm
wegsackte und Mike buchstäblich im allerletzten Moment
Halt am Türrahmen fand. Natürlich hatte er die falsche
Kajüte erwischt. Es war nicht die Tür, hinter der Astaroth
gefangen war. Aber was Mike im grellen Licht seines
Helmscheinwerfers sah, das ließ ihn vor Schrecken
aufschreien. Der Raum war ebenso verwüstet wie der Rest
des Schiffes. Sämtliche Möbel waren losgerissen und zu
einem einzigen, gewaltigen Trümmerhaufen verkeilt, und
inmitten dieses Durcheinanders befanden sich zwei
Menschen. Sie mußten am Tisch gesessen haben, als der
Tod sie ereilte, denn ihre versteinerten Körper waren in
sitzender, leicht nach vorne gebeugter Haltung erstarrt; der
eine hatte die Ellbogen auf einer nicht mehr vorhandenen
Tischplatte abgestützt und das Kinn auf die Hände gelegt,
der andere hielt noch den abgebrochenen Henkel einer
Kaffeetasse in der Hand. Es war ein furchtbarer Anblick.
Und es wird vielleicht das letzte sein, was du in diesem
Leben siehst, wenn du dich nicht ein bißchen beeilst, sagte
Astaroth.
Mike riß sich fast gewaltsam von dem schrecklichen
Bild los, stand auf und trat einen Schritt von der Tür
zurück, ehe er den Kopf in den Nacken legte und nach
oben sah. Der Gang war gottlob nicht sehr breit, so daß er
die Tür mit ausgestreckten Armen erreichen konnte. Das
Schloß ließ sich mit einem simplen Handgriff öffnen, aber
es gelang ihm

Weitere Kostenlose Bücher