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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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Abendessen nicht mehr sehen.«
    Hinter dem Rücken des Abtes rieb sich der Bucklige mit einem triumphierenden Leuchten in den Augen die Hände.
    Sam fuhr, mit einem Schlag hellwach, aus dem Schlaf. Sein Gesicht war schweißnass. Sein Bauch fühlte sich steinhart an, und sein Magen gab furchtbare Geräusche von sich. Sicher lag dies wieder an der grässlichen Kohlsuppe des Kochs ... Er warf einen Blick hinüber zum Fensterladen: Die Morgendämmerung hatte kaum begonnen.
    Plötzlich wurde ihm klar, dass die furchtbaren Geräusche nicht aus seinem Magen kamen.
    Mit einem Satz war er auf den Beinen. Laute Rufe und Schreie drangen zu ihm herein, das dumpfe Geräusch von Waffen. In seiner panischen Angst brauchte er eine Weile, um sich durch den dunklen Stall bis zum Fensterladen zu tasten. Draußen tobte die Schlacht. . . Die weißen Fremdlinge waren da, zumindest eine Handvoll von ihnen, große, kräftige Gestalten, die ihre Gesichter hinter den heruntergeklappten Visieren ihrer Helme verbargen. Die Mönche verteidigten sich so gut sie konnten, ein paar verbarrikadierten sich in der Kirche, andere lieferten sich verzweifelte Zweikämpfe mit den Angreifern.
    Da schwang die Stalltür auf, was die Kuh vor Angst brüllen ließ.
    »Saum! Saum!«
    Es war die Bohnenstange, ein Schwert in der Hand. Er schloss hinter sich ab und trat schwer atmend zu Sam.
    »Sie haben uns überrascht. . . Im Morgengrauen . . . Wir waren nicht vorbereitet! Jemand hat ein Feuer angezündet, um ihnen den Weg zu weisen! Sie haben das Kloster gestürmt!«
    Bumm! Die Stalltür erzitterte unter einem kräftigen Schlag.
    »Du musst den Schatz retten, Saum, sonst wird er diesen Barbaren in die Hände fallen!«
    »Ich? Aber Ihr solltet doch in der Grotte sein!«, stotterte Sam. »Ich könnte doch niemals . . .«
    Ein zweiter Stoß traf die Tür.
    »Hör zu, Saum, es bleibt nicht viel Zeit.«
    Er hob sein Gewand bis zur Wade und zeigte auf seinen Knöchel. Er blutete.
    »Mein Fuß ist verletzt, ich wäre nicht schnell genug. Du bist flink und kannst unbemerkt entwischen.«
    Krach! Die Holzlatten begannen nachzugeben. Die Kuh muhte noch lauter.
    »Außerdem wärst du dort sicherer«, fuhr Ranald fort und packte ihn beim Arm. »Drück dich schnell gegen die Wand, und sobald die Tür nachgibt. . .«
    Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick flog die Tür aus den Angeln, und ein silberglänzendes Ungetüm brach brüllend herein.
    »Lauf, Saum!«, befahl Bruder Ranald, während er mit dem Schwert auf den Eindringling losging.
    Mit zitternden Knien rannte Sam hinaus in die Dämmerung, während um ihn herum die Waffen klirrten. Er versteckte sich hinter einem Fass, dann schlich er geduckt an den Palisaden entlang. Sobald er die rückwärtige Seite des Klosters erreicht hatte, öffnete er das Tor, das hinaus auf die Felder führte, und rannte los, so schnell er konnte.
    »Lauf, Saum! Rette den Schatz von Colum-Chill!«, meinte er zu vernehmen.
    Als er das erste Steinmäuerchen erreichte, warf er sich flach auf den Boden. Es war noch nicht sehr hell, niemand würde ihn sehen können ... Doch als er zurückschaute, erblickte er am Eingang des Klosters einen Mönch, der nicht kämpfte, sondern im Gegenteil intensive Verhandlungen mit den Angreifern zu führen schien. Der Bucklige! Der Bucklige hatte seine Brüder verraten! Er hatte das Feuer gelegt, das die Plünderer hergeführt hatte! Und nun zeigte er mit dem Finger genau in Sams Richtung . . .
    Sam rannte geduckt weiter. Mit ein bisschen Glück hatten die weißen Fremdlinge ihn nicht bemerkt. Wer waren diese Eroberer überhaupt? Welches Jahrhundert zählte man auf Iona?
    Als er den Felsvorsprung umrundet hatte, der ihm die Sicht auf die Bucht verstellte, sah er die Antwort vor sich: Zwei riesige Schiffe, deren Bug die Form eines Drachen hatte, lagen westlich der Insel vor Anker. Ihre an beiden Enden spitz zulaufende Form und die rechteckigen roten Segel ließen keinen Zweifel offen: Drachenschiffe! Wie in den Geschichtsbüchern. Die weißen Fremdlinge waren Wikinger!
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Er strauchelte und fiel der Länge nach ins feuchte Gras. Was er die ganze Zeit erfolgreich verdrängt hatte, traf ihn plötzlich wie eine Erleuchtung. Das Kloster, das Skriptorium, die Mönche, die Wikinger ...
    Er war in einer anderen Zeit gelandet! ER WAR IN EINER ANDEREN ZEIT GELANDET!
    Er warf einen schnellen Blick zurück. Einer der Krieger hatte seine Verfolgung aufgenommen, während die übrigen

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