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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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nicht bewegen zu können. Ein Bein lag seltsam verdreht unter ihm. Anscheinend hatte er viel Blut verloren.
    »Trinken, bitte . . .«
    Der Mann bewegte kaum die Lippen, die wie sein ganzes Gesicht unter einer dicken Schlammkruste kaum zu erkennen waren. Nur seine Augen stachen hervor wie weiße Punkte.
    »Wasser«, stöhnte er.
    Sein Akzent erinnerte Sam undeutlich an irgendetwas. Ebenso wie seine Kleidung und der runde Helm.
    »Sind Sie verletzt?«
    »Meine Feldflasche . . . bitte.«
    Sam stieg vorsichtig zu ihm in den Graben. Angst hatte er nur vor den Brombeersträuchern, zumal er nur diese vorsintflutliche Art Zehensandalen an den Füßen hatte. Er befreite die Flasche aus dem Geäst, drehte den Deckel auf und brachte die Feldflasche an die ausgetrockneten Lippen des Soldaten. Der trank lange und in tiefen Zügen.
    »Danke«, sagte dieser daraufhin mit etwas klarerer Stimme, »dich hat der Himmel geschickt . . . Ich weiß zwar nicht, was du in dieser Gegend treibst, noch dazu in diesem Aufzug . . . Aber du musst mir Hilfe holen.«
    Sam nickte nur, um ihn nicht zu unterbrechen. Er spürte, dass der Mann am Ende seiner Kräfte war.
    »Du musst ... du musst raus aus dem Dorf. Auf der anderen Seite. Du folgst der Straße. Aber pass auf, dass du nicht gesehen wirst! Nach einem Kilometer kommst du zur Festung von Souville. Aber die kennst du ja sicher. Du sagst ihnen . . .« Er hustete schwach.
    »Du sagst ihnen, dass Korporal Chartrel vom 293. Infanterieregiment verletzt ist. In Fleury, hinter der Totenscheune. Sie werden schon verstehen. Ich . . . ich weiß nicht, warum mich die Sanitäter nicht geholt haben. Ich muss das Bewusstsein verloren haben.«
    Er warf Sam einen flehenden Blick zu.
    »Du machst das, nicht wahr? Du wirst mich doch nicht hierlassen? Ich ... ich mach’s nicht mehr lange, weißt du.«
    Samuel nickte.
    »Also gut... ich ... Und folge immer der Straße, Kleiner. Geh nicht auf die Anhöhe, da oben wimmelt es von Deutschen.«
    Korporal Chartrel wollte noch etwas sagen, doch ihm fielen die Augen zu, und er röchelte schwach.
    Sam durfte keine Minute verlieren.
    Er kroch aus dem Graben und folgte der Straße in entgegengesetzter Richtung. Krieg ... Es war Krieg. Aber welcher? Von Deutschen hatte der Soldat gesprochen. Also der Zweite Weltkrieg? Doch Sam hatte zu Hause zwei oder drei ziemlich realistische Videospiele über diese Zeit, und die Uniformen sahen ganz anders aus. Nein, der Erste Weltkrieg musste es sein. Im Geschichtsunterricht hatten sie einmal einen Schwarz-Weiß-Film gesehen. Über die Schützengräben und das alles ... Ja, es könnte der Erste Weltkrieg sein. Chartrel . . . wahrscheinlich ein französischer Korporal.
    Samuel lief geduckt die Straße entlang. Daran war er ja mittlerweile gewöhnt. . . Allerdings gab er in seinem weißen Gewand eine ideale Zielscheibe ab. Vor allem wenn man sich mitten auf dem Schlachtfeld befand. Und angesichts der zersplitterten Bäume und der zerstörten Häuser sah es ganz danach aus . . .
    Wie dem auch sei, schließlich konnte er sich nicht in dem Dorf vergraben und auf einen Bus warten, der ihn nach Hause bringen würde! Außerdem war da noch dieser verletzte Soldat...
    Ungehindert durchquerte Sam die eintönig graue verlassene Landschaft. Auf den Hügeln waren keine Deutschen zu sehen. Vielleicht war es noch zu früh . . . Gab es bestimmte Uhrzeiten für den Krieg, so wie es feste Bürozeiten gab?
    »He da! Wer kommt da des Wegs?«
    Drei Soldaten sprangen plötzlich vor ihm aus dem Dickicht hervor und versperrten ihm mit erhobenen Gewehren den Weg.
    »Was ist jetzt, Marcel?«, fragte der größte von den dreien etwas verwirrt. »Schießen oder nicht schießen?«
    »Nicht schießen, Jeannot«, meinte der älteste, »erst müssen wir herausfinden, woher er kommt.«
    »Sapperlot, das ist ja ein Kind!«, rief der dritte, der mit dem imposanten Schnurrbart.
    »Wer bist denn du?«, fragte der älteste. »Woher kommst du?«
    »Ich komme im Auftrag von Korporal Chartrel vom 239. Infanterieregiment«, brachte Sam in einem Atemzug heraus. »Er liegt dort drüben im Dorf, in Fleury, hinter der Totenscheune. Er ist am Bein verletzt. Ich glaube, es geht ihm nicht gut. . .«
    »Sapperlot, Chartrel! Er ist vorgestern als in der Schlacht verschollen gemeldet worden! Ist er etwa noch am Leben?«
    »Und woher willst du das wissen, Bürschchen?«, fragte der älteste. »Das ist doch bestimmt eine Finte der Boches, um uns in einen Hinterhalt zu locken!«
    »Also, was

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