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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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weiter ins Kloster vordrangen. Dort, wo er den Buckligen zuletzt gesehen hatte, war nur noch ein auf dem Boden zusammengekrümmtes Etwas übrig: Die Eindringlinge hatten die Rechnung mit ihrem Komplizen anscheinend auf ihre Art beglichen.
    Sam rannte weiter. Er hatte zwar einen komfortablen Vorsprung, aber nur halb so lange Beine wie sein Verfolger. Gerade ging die Sonne orangefarben über dem Meer auf und tauchte den Küstenstreifen in ein unwirkliches Licht. Das Ufer, das er erreichen musste, schien am anderen Ende der Welt zu liegen. Er versuchte, sein Tempo zu halten, und erinnerte sich dabei an die Ratschläge von Daffy Duck, seinem Sportlehrer mit der Entenstimme: »In zwei Zügen einatmen, dann alles wieder raus, und immer im Rhythmus bleiben.« Er lief den Pfad hinauf, den er gestern mit der Bohnenstange gegangen war. Eine Ewigkeit schien seit ihrem Angelausflug vergangen zu sein!
    Endlich sah er vor sich den Hügel oberhalb der Bucht. Der Wikinger lag immer noch fast fünfhundert Meter zurück. Entweder war er sich seiner Beute allzu sicher oder kein besonders guter Läufer. Er trug einen riesigen Helm, der ihm übers Kinn reichte, dazu ein Schwert und einen mindestens ein Meter fünfzig hohen Schild. Auf einen Zweikampf sollte man sich also möglichst nicht einlassen . . .
    Keuchend erklomm Sam den Felsen. Wo war noch gleich der Eingang zur Grotte? Da, ein Stück weiter oben. Er schlüpfte durch den Felsspalt und wäre um ein Haar über einen der kleinen Tische gestolpert, die die Mönche für die Bücher bereitgestellt hatten. Schnell, die Axt ... Er griff nach dem Stiel und schwang ihn etwas ungelenk gegen den ersten und dünnsten Balken. Und wenn es nun nicht funktionierte? Wenn er mit seinem Werkzeug nichts ausrichtete? Er schlug noch einmal zu, jetzt mit doppelter Kraft, und hinterließ eine deutliche Kerbe im Holz. Dann noch einmal und noch einmal! Der erste Balken gab krachend nach. Die oberhalb des Eingangs aufgeschichteten Felsbrocken erzitterten, aber das war alles. Sam rieb sich die schmerzenden Hände, er hatte zwei riesige Blasen auf den Handflächen. Doch das war jetzt Nebensache, der weiße Fremdling musste ganz nah sein. Sam stürzte sich auf den zweiten Balken, der bei jedem seiner Schläge erbebte. Was, wenn die ganzen Höhlenwände ohne Vorwarnung über ihm zusammenbrechen würden? Rums! Sam hatte gerade noch Zeit zurückzuspringen. Ein Teil des Gewölbes brach unter lautem Getöse zusammen, mindestens eine Tonne Felsbrocken blockierte den Eingang. Er hatte gewonnen!
    Nachdem sich die Staubwolke etwas gelegt hatte und er wieder zu Atem gekommen war, vergewisserte er sich, ob er nicht zu viel Schaden angerichtet hatte. Nur einer der Tische war getroffen worden, einige Bücher lagen auf dem Boden. Mechanisch fing er an, sie auf einen Stapel zu sortieren – er war eben der Sohn eines Buchhändlers. Das kleinste der Bücher hatte ein ungewöhnliches, längliches Format und an einem Ende einen kleinen Ring. Vielleicht sollte man es damit am Gürtel befestigen? Innen war seltsamerweise zwanzigmal die gleiche Seite: die Abbildung einer Insel, vermutlich Iona, daneben ein paar Erklärungen. Schade, dass er immer noch kein Latein lesen konnte . . . Plötzlich erstarrte er: Von draußen kam ein Geräusch. Es klang wie ein Hämmern. Der Wikinger war ihm dicht auf den Fersen gewesen, das Gepolter der Steine konnte ihm nicht entgangen sein. Vielleicht war er bereits dabei, die Felsbrocken wegzuräumen?
    Sam suchte mit den Augen nach etwas, mit dem er sich verteidigen konnte. Der zersplitterte Balken könnte ihm vielleicht als Keule dienen .. . ansonsten gab es nur Bücher, die wertvollsten in Leder gebunden, darunter auch das vergoldete, in dem er im Skriptorium geblättert hatte. Er durchsuchte die Grotte bis in den letzten Winkel. Dabei entdeckte er in einer Nische in der Wand eine Truhe. Er brachte sie unter den Lichtkegel in der Mitte und öffnete sie. Münzen . . . Silber- und Goldmünzen. Der andere Schatz des Klosters! Als er mit dem Finger durch die Münzen fuhr, entdeckte er plötzlich eine mit einem Loch in der Mitte. Sie trug eine unleserliche Inschrift und hatte anscheinend den gleichen Durchmesser wie ... Ja genau, wie die, die er im Keller seines Vaters gefunden hatte! Diese Münze, die haargenau auf den Innenkreis der Sonne passte und mit der alles angefangen hatte! Warum hatte er nicht schon eher daran gedacht? Mithilfe einer Münze war er auf Iona gelandet, und er brauchte wieder

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