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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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unbedingt Peneb und seine Leute in alle Pläne einweihen? Wenn nun einer der Verschwörer unter den Arbeitern in Set-Maat zu finden war? In dem Fall würde Samuel sicher nicht weit kommen. Nein, es war sicher ratsamer, den Aufstand zu nutzen, um sich unauffällig Zugang zum Palast zu verschaffen und irgendwie mit Ahmousis zusammenzutreffen. Immerhin wusste Setnis Sohn vielleicht Genaueres über den Sonnenstein. Und bis Einbruch der Nacht blieben ihm nur ein bis zwei Stunden . . . Die Nachricht von dem geplanten Marsch zum Palast des Ramses verbreitete sich nach und nach im ganzen Dorf. Die Arbeiter versammelten sich auf dem Platz und palaverten eine Weile, bevor sie sich verständigt hatten. Schließlich setzte sich der Zug der mit ihren Werkzeugen bewaffneten Arbeiter, flankiert von Frauen und Kindern, Richtung Tempel in Bewegung. Erste Schlachtrufe wurden geprobt.
    »Her mit unserem Weizen und unserer Gerste!«
    »Der Wesir muss uns anhören!«
    »Unsere Kinder haben Hunger!«
    »Schreiber und Priester, schließt euch uns an!«
    Während sie sich, ihre Hacken und Beile schwingend, auf den Weg machten, erkundigte sich Sam beiläufig bei einem von Penebs Nachbarn: »Ich bin noch nie beim Tempel des Ramses gewesen. Wisst Ihr, wie der aussieht?«
    »Natürlich, ich habe sogar bei seinem Bau mitgearbeitet. Ramses ließ ihn erbauen, um die Größe seiner Herrschaft über seine Lebzeiten hinaus für alle Ewigkeit unsterblich zu machen! Daher auch der Name Tempel der Millionen Jahre . . . Ein Bruchteil der Reichtümer, die dort angehäuft sind, würde ausreichen, um ganz Theben ein Jahr lang zu ernähren!«
    »Ist es wahr, dass es dort auch Bäder für die Priester gibt?«
    »Woher kommst du denn, Kleiner? Ehrt man in der Stadt, aus der du kommst, nicht die Götter? Selbstverständlich gibt es dort Bäder! Rechts im zweiten Hof, den, der von Büschen und ganzen Blumenmeeren umgeben ist. Aber wenn du glaubst, dass du dir deine Füße darin abkühlen kannst, hast du dich getäuscht. Nur die Priester des Tempels haben dort Zugang! Und glaub mir, wenn du versuchen solltest hineinzukommen, wird man dir das Fell über die Ohren ziehen!«
    Seine Frau versetzte ihm einen Rippenstoß, und er stimmte in die Rufe der anderen ein: »Unsere Kinder haben Hunger! Her mit unserem Weizen und unserer Gerste! Schreiber und Priester schließt euch uns an!«
    Sam wagte nicht, noch länger auf ihn einzudringen.
    Nachdem sie ungefähr eine Viertelstunde im Schein der untergehenden Sonne marschiert waren, waren die dreihundert Bewohner von Set-Maat an einem Gebäude angelangt, das an eine Festung erinnerte. Die Außenmauern ragten mindestens fünf Meter hoch in den Himmel, und von den Ecktürmen herunter hielten die Wachen Pfeil und Bogen schussbereit.
    »Wir sind die Arbeiter der königlichen Gräber«, rief Peneb. »Wir sind gekommen, um den rechtmäßigen Lohn für unsere Mühen einzufordern!«
    Aufseiten der Wachen entstand eine leichte Unruhe. Sie berieten sich leise, rannten eine Weile hektisch treppauf und treppab, dann endlich, nach ungefähr zwanzig Minuten, beugte sich der Oberste über die Zinnen.
    »Legt eure Werkzeuge vor dem großen Tor ab«, befahl er. »Die Schreiber der Verwaltung werden euch empfangen.« Befriedigter Beifall erklang unter der Abordnung: Die Machthaber wünschten offenbar keine Auseinandersetzung.
    Die kleine Truppe ging in geordneten Reihen durch einen ersten Torbogen, dann durch einen zweiten, bis sie schließlich vor dem monumentalen Eingang zu dem Totentempel des Ramses standen. Dort, zu Füßen des gigantischen Baus aus rohen Ziegeln, wurden sie von etwa zwanzig Schreibern mit Fackeln in der Hand empfangen. Sie forderten die Demonstranten auf, eine Delegation aus fünf Vertretern zu bilden, was erneut einen Sturm lauter Proteste auslöste. Einige der Arbeiter beharrten darauf, dass alle Familienoberhäupter angehört werden sollten. Sam nutzte den Tumult, um die Umgebung in Augenschein zu nehmen: Sie waren in dem zweiten Hof, von dem Penebs Nachbar gesprochen hatte, und die hereinbrechende Dämmerung würde ihm bei seinem Vorhaben helfen. Zwei von Büschen und Blumen gesäumte Alleen führten nach rechts und links. Zu den Bädern konnte es nicht weit sein . . .
    Er ließ sich in die hinteren Reihen der Gruppe zurückfallen, und sobald alle Augen auf Peneb, Mesou und drei weitere Freiwillige der Abordnung gerichtet waren, näherte er sich dem ersten Blumenbeet zu seiner Rechten. Ein schneller Blick auf den

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