Die steinerne Pforte
presste sich flach auf den Boden. Hier war er geschützt, vorausgesetzt, der Mörder hatte nicht vor, von der Mauer hinunter in den Garten zu springen. Plötzlich ertönte eine Glocke, die laute Befehle und Rufe auslöste. Man schlug Alarm . . .
Sam spähte aus dem Papyrus: Am Becken bewegte sich nichts. Dann vernahm er ein paar eilige Schritte auf dem Wehrgang: Der Bogenschütze war verschwunden.
Sofort sprang Sam aus seinem Versteck hervor und rannte zum Wasserbecken. Vielleicht atmete Ahmousis noch? Vielleicht war er noch nicht ertrunken? Ohne lange zu überlegen, warf er sich ins Wasser. Im selben Moment tauchte der Priester auf.
»Was ist. . .« Der Priester rang nach Atem.
»Gemeiner Frevel!«, ertönte es von oben. »Jemand greift einen Priester des Ramses an!«
Samuel wurde blitzartig klar, in was für eine Lage er sich soeben gebracht hatte.
»Lass ihn sofort los!«, schrie der Befehlshaber der Wache von der Außenmauer herunter.
Um ihn herum waren mehrere Soldaten in Stellung gegangen.
»Ich war das nicht!«, empörte sich Sam. »Da war ein Bogenschütze, genau da, wo Ihr jetzt steht. Er hat den Pfeil abgeschossen!«
Aber der Oberste der Wachen kümmerte sich nicht um ihn.
»Alles in Ordnung, Ahmousis? Hat er dich verletzt?«
»Nein, mir ist nichts geschehen, Mekhnat. Du kommst gerade rechtzeitig.«
»Bleib, wo du bist«, rief Mekhnat ihm zu, »ich hole Verstärkung. Und ihr da: Wenn der Schurke Anstalten macht zu fliehen, durchsiebt ihn!«
Sam wandte sich an den Priester und beschwor ihn: »Ich versichere Euch, ich war es nicht! Ich war dort drüben versteckt! Ich habe den Bogenschützen gesehen! Ich habe geschrien, um Euch zu warnen!«
Mit erstaunlicher Ruhe wischte Ahmousis sich das Wasser von seinem tropfnassen Schädel. Er schien tatsächlich nicht verletzt zu sein; sein Sprung ins Wasser hatte ihn gerettet.
»Du befindest dich in heiligem Wasser«, erklärte er ohne eine Spur von Aufregung. »Allein den Priestern des Ramses ist es erlaubt, darin zu baden.«
»Es war eine Verschwörung! Ich habe sie neulich bei Setnis Grab belauscht! Beim Grab Eures Vaters! Sie sprachen von Vollmond und vom Tempel des Ramses! Sie wollten Euch in der sechsten Stunde umbringen!«
Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und schluchzte beinahe: »Ich war es nicht! Ich schwöre Euch, da war dieser Bogenschütze! Deshalb habe ich geschrien!«
»Spar dir deine Spucke für den Wesir«, riet Mekhnat ihm, der soeben mit seinen Männern in den Garten kam. »Auch wenn dir das nicht helfen wird, deine Haut zu retten . . . Schafft ihn fort!«
Zwei Soldaten stürzten sich auf Sam und packten ihn bei den Handgelenken.
»Er muss sich mit den aufständischen Arbeitern hier hereingeschlichen haben. Ich habe dich gewarnt, Ahmousis -du hättest sie lieber nicht empfangen sollen.«
»Die Aufgabe der Priester ist es auch, das Volk anzuhören«, entgegnete Ahmousis und stieg aus dem Becken. »Und die der Verwaltung ist es, ihre Verpflichtungen einzuhalten.«
»Aber Ahmousis, der Junge hätte dich töten können!«
»Herr«, unterbrach ihn einer der Soldaten. »Diesen Bogen habe ich in der Nähe der Tür gefunden!«
Mekhnat nahm die Waffe mit einem hämischen Grinsen entgegen.
»Na also, hiermit wäre dein Schicksal besiegelt, du kleine Kröte!«
»Er muss ihn weggeworfen haben!«, jammerte Sam. »Habt Ihr nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich war es, der Alarm geschlagen hat!«
»Zweifellos in der Hoffnung, uns abzulenken!«, gab Mekhnat zurück. »Ich frage mich, ob wir dich nicht . . .«
Er beugte sich zu Ahmousis und raunte ihm etwas zu. Sam verstand nur Bruchstücke:
». . . erschießen . . . jetzt gleich . . . nicht damit belästigen . . . Wesir.«
Dieses Gemurmel! Diese Art zu flüstern! Sam konnte es kaum fassen! Das war eine der beiden Stimmen, die er in Setnis Grab belauscht hatte! Der, der immer so unterwürfig geantwortet hatte, ständig mit »Meister« hier und »Meister« da. Der Oberste der Wachen steckte mit den Verschwörern unter einer Decke! Deshalb wollte er auch Sam so schnell wie möglich loswerden!
»Der da ...«, stotterte er, »der ist es! Er war indem Grab! Ich erkenne seine Stimme wieder!«
Mekhnat versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. »Dreckiger kleiner Lügner! Da musst du dir schon was Besseres ausdenken! Bringt ihn in den Kerker und legt ihn in Ketten! Auf der Stelle!«
Ahmousis trat einen Schritt auf Sam zu und hob die Hand, wie ein Schiedsrichter, wenn er ein Foul
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