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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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pfeift.
    »Nicht so eilig, Mekhnat! Ich bin der Priester der Pharaos. Ich habe hier zu entscheiden . . .«
    »Aber du wirst doch wohl nicht dem Geschwätz dieses Ungeziefers glauben?«
    »Gib mir deine Fackel, Mekhnat.«
    Ahmousis leuchtete mit der Fackel in Sams Gesicht und musterte ihn eingehend.
    Dann wies er die Wachen an: »Durchsucht weiter den Palast, Männer. Der, den wir suchen, muss sich noch irgendwo versteckt halten. Und was diesen Jungen hier betrifft: Ihr könnt ihn freilassen, ich kenne ihn, er steht unter meinem Schutz.«
    Samuel erlebte die folgenden Stunden in einem Zustand zunehmender Verwirrung. Noch nie hatte er solche Angst gehabt! Alles war so schnell gegangen! Er hatte wirklich geglaubt, alles sei verloren . . . Und was wollte Ahmousis damit sagen, als er vorgab, ihn zu kennen? Nach der Auseinandersetzung mit Mekhnat hatte man Sam in einen den Priestern vorbehaltenen Raum im Westflügel des Palastes gebracht. Dort gab es ein Bett mit einem Ruhekissen, eine kleine Bank mit Beinen in der Form von Löwentatzen, einen mit Papyrusrollen überladenen Tisch und mehrere Truhen. Ein bewaffneter Posten bewachte den Eingang. Durch ein winziges Fenster hoch oben in der Mauer fielen die ersten Sonnenstrahlen.
    Wie würde sein weiteres Schicksal aussehen?
    Schließlich erschien Ahmousis. Er trug immer noch seinen Lendenschurz; dazu hatte er jedoch jetzt einen weißen Schal über die Schultern gelegt. Durch seine abrasierten Brauen und den schwarzen Lidstrich unter den Augen bekam sein Blick etwas Durchdringendes. Er war ungefähr ein Meter fünfundsiebzig groß und von athletischem Körperbau. Die auffälligen Ringe an seinen Fingern passten eigentlich gar nicht zu seiner Erscheinung.
    »Bitte, setz dich doch. Dir ist sicher die Zeit etwas lang geworden, nicht wahr? Du musst mich entschuldigen, aber ich hatte ein paar Dinge zu klären.«
    »Hat man ihn gefasst?«
    »Den Bogenschützen? Nein. Aber ich denke, das ist nur noch eine Frage der Zeit.«
    »Also, weiß man, wer es war?«
    »Möglicherweise . . . Mekhnat ist verschwunden.«
    »Mekhnat ist verschwunden?«
    »Er hat zur achten Stunde nicht zum Appell gerufen . . . Er sollte die Wache zusammenrufen, um die Ergebnisse der Durchsuchung zu besprechen, doch zur großen Überraschung aller ist er nicht erschienen.«
    »Glaubt Ihr, dass Mekhnat die Pfeile selbst abgeschossen hat?«
    »Nein, das wäre zu riskant gewesen. Aber einer seiner Männer ist ebenfalls nicht aufzufinden. Daraus schließe ich, dass Mekhnat ihn bestochen hat, damit er auf mich schießt.«
    Ahmousis wirkte bei all dem erstaunlich ruhig und gelassen.
    »Als ich sie in der Grabkammer belauscht habe, war noch ein anderer dabei«, bemerkte Sam. »Mekhnat sprach ihn mit ›Meister‹ an, als ob es sein Vorgesetzter wäre.«
    »Interessant. Ich hatte mich schon gefragt, warum sie beide darauf bestanden, mich zu begleiten . . .«
    Samuel konnte ihm nicht folgen. »Wie bitte?«
    »Khamosis, mein Cousin ... Er ist Schreiber bei der Verwaltung. Er und Mekhnat bestanden an jenem Tag darauf, mich zur Grabstätte meines Vaters zu begleiten. Angeblich weil die aufgebrachten Arbeiter mir gefährlich werden konnten. Aber jetzt verstehe ich, worum es eigentlich ging.«
    Der Schreiber! Die zweite Stimme! Er war es, der Mekhnat die Anweisung gegeben hatte, Ahmousis zu töten.
    »Aber wenn er Euer Cousin ist«, wandte Sam ein, »warum hatte er vor, Euch umbringen zu lassen?«
    Der Priester lächelte.
    »Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem du hier bist.«
    Samuel wurde rot bis über die Ohren.
    »Ich . . . ich verstehe nicht, was das . . .«
    »Keine Angst, mein Junge«, sagte Ahmousis und klopfte ihm beruhigend aufs Knie. »Das bleibt alles unter uns. Mein Vater hat mir von dir erzählt.«
    Wenn er eine Comicfigur gewesen wäre, wäre Sam jetzt rückwärts umgekippt, den Kopf in einer Wolke wirbelnder Sterne.
    »Aber das ist unmöglich!«
    »Sag das nicht. Setni war kein gewöhnlicher Mensch. Er war einer der wichtigsten Priester des Amun und der einflussreichste Berater dreier aufeinanderfolgender Pharaonen. Er schien . . .«
    Ahmousis sprach jetzt voller Trauer: »Er schien die Gabe zu haben, Dinge wahrzunehmen, die niemand sonst wahrnehmen konnte. Menschen zu verstehen, die kein anderer verstehen konnte. Manchmal geschah es, dass er . . . verschwand. Er verschwand an einem Morgen, und man sah ihn erst am Abend wieder, oder einige Tage später, manchmal konnten es auch zehn sein. Er brachte

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