Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
Vom Netzwerk:
Zittern zu spüren. Er streckte die Hand aus . . .
    Das Letzte, was er noch wahrnahm, war ein furchtbares Brennen, das ihm durch den Arm fuhr und seinen Körper zu versengen drohte.

 
3.
    Iona
     
    Sam fiel auf die Knie, er hatte ein Gefühl, als ob sich sein Magen umdrehte. Sein ganzer Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Er würgte und erbrach sich schmerzhaft, ohne dem Brechreiz Einhalt gebieten zu können. Dabei starrte er ungläubig auf den grasbewachsenen Boden unter seinen Händen. Gras . . . Gras?
    Als er es endlich schaffte, den Kopf zu heben, wäre er vor Schreck beinahe ohnmächtig geworden: Er war nicht mehr im Keller des Buchladens. Er war ... ja wo? Ein felsiger Strand mit schmalen Sandbänken, dahinter nur weites Meer. Er selbst befand sich auf halber Höhe eines verwilderten Hügels, mitten zwischen grasüberwucherten Felsen. Was war mit ihm geschehen? Mit seinen Kleidern? WO WAREN SEINE KLEIDER? Seine Jeans, sein T-Shirt? Er trug nichts als eine Art grobes Nachthemd, das, schweiß-nass, seine Arme und Beine bedeckte. Außerdem kratzte es. Und seine Verbrennungen? Er spürte immer noch die verheerende Wirkung des Feuers, von dem er verzehrt worden war, als er den Stein berührt hatte. Eine menschliche Fackel. . . Doch seine Haut schien wie durch Zauberhand unversehrt, rosig wie bei einem Baby. Als ob alles nur ein Traum gewesen wäre.
    Leicht schwankend richtete Samuel sich auf. Der Sonnenstein ... Es musste da einen Zusammenhang geben. Dort stand er, zwei bis drei Meter von ihm entfernt. Obwohl er leicht verändert aussah: etwas höher, ein bisschen schwärzer. Doch es waren dieselben Motive: die Sonne mit sechs Strahlen, im unteren Teil eine dunkle Vertiefung. Eine wilde Hoffnung erfasste ihn: Er brauchte nur die Münze wieder in die Mitte des Sonnenbildes zu legen, und alles würde wieder zum Normalzustand zurückkehren. Es handelte sich um einen Albtraum, ja natürlich, und in diesem Albtraum musste er die Zaubermünze wieder an die richtige Stelle stecken ... Millimeter für Millimeter suchte er das Gras um sich herum ab, scharrte wie wild in der Erde: keine Spur von einer Münze. Er suchte etwas weiter weg, hob dicke Kieselsteine hoch, versuchte, mit den Händen Löcher unter die Felsen zu graben: nichts. Er probierte die unterschiedlichsten Steine aus, aber keiner hatte den passenden Durchmesser. Er schimpfte, verfluchte den Stein und brach schließlich in Tränen aus. Es war kein Traum . . . Das hier war kein Traum!
    Erst nach einer Weile hatte er sich einigermaßen beruhigt. Was immer mit ihm geschehen war, rief er sich zur Vernunft, heulen war sinnlos, so durfte er die Sache nicht angehen. Immerhin war er noch am Leben, oder etwa nicht? Er merkte, wie ihm langsam kalt wurde. Er stand auf, klopfte sich den Staub ab und kletterte weiter den Hügel hinauf, um einen besseren Überblick zu haben. Offenkundig war er auf einer ausgedehnten Insel, die sich in Grau- und Grüntönen, windzerzaust und von tiefen Furchen durchzogen, vor ihm ausstreckte. Hinter ihm rollte in unendlich langen Wellen das Meer an den Strand, darüber ein wolkenverhangener Himmel, hier und da von goldenen Lichtsäulen durchbrochen. Und dort vor ihm ... Häuser, ja, das mussten Häuser sein . . . Rauch . . . Da waren sogar Menschen! Kleine schwarze Punkte, die sich bewegten, er sah sie genau!
    »Hallo!«, schrie er. »Hallo!«
    Doch die Entfernung war zu groß, und der Wind trug seine Stimme in die entgegengesetzte Richtung. Sam fing an zu laufen, ohne auf seine nackten Füße zu achten, die sich in die lockere Erde der Heide gruben. Es gab ein Dorf, die Insel war also bewohnt! Sicher würden die Leute ihm alles erklären können! Vielleicht war er im Keller ohnmächtig geworden? Man hatte ihn per Rettungshubschrauber transportieren müssen – das erklärte auch dieses Krankenhemd! –, es hatte einen Unfall gegeben und . . . Glücklicherweise hatte er überlebt, und diese Menschen würden ihn aufnehmen. Er würde sich abtrocknen können und Grandma anrufen, damit sie sich keine Sorgen machte – sicher war sie schon beinahe gestorben vor Angst!
    Nach zehn Minuten war er so außer Atem, dass er sich zwingen musste, langsamer zu laufen. Das Dorf war nur noch wenige hundert Meter entfernt. Allerdings konnte man es kaum als Dorf bezeichnen, eher als eine Ansammlung von Hütten, umgeben von Palisaden und mit einem steinernen Haus in der Mitte. Eine Feriensiedlung? Eine Kommune von Hippies auf dem Weg zurück zur

Weitere Kostenlose Bücher