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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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genug
    sein, die trübsinnigen, von Selbstmitleid zerfressenen Gedanken, loszuwerden. Er klammerte alle Widrigkeiten aus und puschte seinen Optimismus. Es wirkte. Die Umgebung gewann zunehmend an Reiz und schließlich sog er alle gegenwärtigen Eindrücke begierig in sich auf: die ungewöhnlichen Düfte aus den Garküchen, die prächtigen, protzenden Farben der Botanik, den Singsang der fremden Sprache, die ringsum gesprochen wurde. Er passierte einen pompös anmutenden, farbenfroh geschmückten Hindu-Tempel, der sich zwischen zwei mächtigen, schmutzgrauen Betonsäulen befand, die eine Schnellstraße sowie die Schienen des Skytrains trugen. In den Läden und Marktständen entlang der Straße gab es alles zu kaufen, was man sich vorstellen konnte und sicherlich auch Dinge, die über jede Vorstellung hinausgingen: Schmuck, Antiquitäten, Mangoholzgefäße, Tatami-Gebetsmatten, gehämmertes Büttenpapier, feine Thai-Seide, schrille Cowboyhüte, handbemalte Keramikpuppen,
    Plastikblumen, Ayurveda- und Aromatherapieprodukte, konservierte und hinter Glas gebannte Spinnen, Insekten und Schmetterlinge, grellbunte Muay Thai Satinboxer-Shorts, echte sowie gefälschte Designerklamotten, die neusten Hollywood-Kinofilme auf schwarz gebrannten DVDs, lange bevor sie in deutsche Kinos kamen. Dazu gesellten sich die kulinarischen Genüsse: Vegetarisches, Nudel- und Reisgerichte, rotes, gelbes und grünes Curry mit diversen Fleischsorten, gekochter oder geschmorter Fisch, Meeresfrüchte, in Bananenblätter gewickeltes, im Wok gebratenes, Pfannen gerührtes und gegrilltes, feurig-scharfe Salate, noch schärfere Tom Yam Suppen, fruchtige Chutneys, verführerisch süße Kokosmilch-Desserts, Papayas, Ananas, Kumquats, Litschis, Durianfrüchte, Karambolas ...
    Ihm lief von einem Augenblick zum anderen das Wasser im Mund zusammen und er konnte sich nicht entscheiden, auf was er sich zuerst stürzen sollte. Wie um sich selbst zu verhöhnen, ging er schließlich in ein McDonalds Restaurant, aß zwei große Burger und fragte sich hinterher, wie bescheuert man eigentlich sein konnte.
    Danach drückte er sich etwa eineinhalb Stunden in der näheren Umgebung der Hotels herum. Ohne Stadtplan wollte er sich nicht zu weit von seinem Ausgangspunkt entfernen. Im Gegensatz zu seinem ersten Eindruck, lenkte ihn die pulsierende Metropole auf angenehme Weise von seinem eigentlichen Vorhaben ab, so dass er sich kurzweilig wünschte, noch mehr von Bangkok zu sehen, ehe er nach Laos aufbrechen musste.
    In einer Apotheke kaufte er Schmerzmittel und eine Salbe für seine Prellung, die ihm der Apotheker empfahl. Zurück im Hotel stellte er sich erneut unter die Dusche. Sein Spaziergang war zwar alles andere als anstrengend gewesen, trotzdem war er bis auf die Unterhose nass geschwitzt. Sollte sich der Klamottenwechsel in dem Tempo fortsetzen, hatte er zu wenig Kleidung eingepackt. Nach dem erfrischenden Nass trocknete er sich gründlich ab und probierte dann die Wundersalbe. Die Schmiere roch stark nach ätherischen Ölen. Kaum auf der Haut, breitete sich dort eine wohltuende Wärme aus. Schon auf dem Weg vom Bad in den Schlafraum, wurde aus dem Wohlbefinden ein feuriges Brennen, das ihm Tränen in die Augen trieb. Er hatte plötzlich den Eindruck, das ganze Hotelzimmer stank nach dem Zeug. Außerdem nahm das Brennen mehr und mehr zu. Kein Wunder, dass man dabei jeden anderen Schmerz vergisst!
    Zurück im Badezimmer versuchte er mit einem Handtuch die teuflische Salbe wegzuwischen. Doch das Reiben auf der Haut reizte das Zeug noch mehr. Da er keine Ahnung hatte, wie das Mittelchen auf Wasser reagierte, biss er die Zähne zusammen und fügte sich in sein Schicksal. Beim Anziehen fand er die Zeichnung des Drachen in seiner Reisetasche und zog sie heraus. Erneut betrachtete er das mystische Fabelwesen und fragte sich, was es damit auf sich hatte. Vage erinnerte er sich an einen Traum vor einigen Tagen. Er wusste nur noch, dass ein Drache darin vorkam. Ich muss Ordnung in meine Gedanken bringen!
    Einem unerklärlichen Impuls folgend, griff er beim Verlassen seines Hotelzimmers nach der olivgrünen Mikrofaserjacke, die er vorsichtshalber bei den Reisevorbereitungen eingepackt hatte. Bei den vorherrschenden Temperaturen erschien ihm die Jacke zwar unnötig wie ein Kropf, trotzdem folgte er der intuitiven Eingebung und warf sie sich über. Klare Gedanken!
    Sie trafen sich in der geschmackvoll eingerichteten Lobby-
    Lounge. Von Chin erntete er für die Jacke einen

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