Die Steinernen Drachen (German Edition)
blickte konzentriert auf die Brücke hinaus. Sein mächtiger Körper im schwarzen Anzug stand im scharfen Kontrast zu den warmen, erdigen Farbtönen und der leuchtenden sonnendurchfluteten Umgebung um ihn herum. Er stand da wie eine weithin sichtbare Warnung. Kham weiß, dass ich komme!
Der laotische Geheimdienst rechnete fest mit ihm und er fragte sich erneut, warum? Warum waren sie so sicher, dass er sich in die Höhle des Löwen begab? Es hielt ihn nicht mehr auf seiner Rückbank. Er schnellte nach vorne und packte die CIA-Agentin an der Schulter. Nach dem ersten Schreck folgte ihr Blick seinem Finger, der durch die staubige Windschutzscheibe auf den großgewachsenen Asiaten wies. Die blonde Frau fluchte und schnippte die angerauchte Zigarette aus dem Fenster.
„Was jetzt?“, fragte er mit überschlagender Stimme.
„Ganz ruhig!“
„Ruhig?“
Ilka zog ihr Handy aus der Tasche und begann wenige Sekunden danach unverständliche Codes durchzugeben. Auf ihn wirkte die amerikanische Agentin alles andere als ruhig. Ihr Wagen wurde von der Blechschlange unweigerlich auf den Grenzposten zugeschoben. Ein Ausscheren und Wenden war unmöglich. Zum einen war die Gegenfahrbahn genauso überfüllt, zum anderen wäre der Versuch viel zu auffällig gewesen. Die schießen, bevor sie fragen , hatte Ilka noch auf dem Schnellboot gesagt. Frank zweifelte nicht daran, dass diese Regelung auch hier galt. „Ich steig aus“, sagte er.
„Nein!“
„Nguyen kennt mich. Und wenn ich nicht im Wagen bin, kommt ihr durch.“
„Und was dann, springst du doch?“
„Keine Ahnung. Gib mir mein Visum.“
Ilka zögerte. Noch hundert Meter. Er sah ihr an, wie sie die prekäre Situation abwog. Hinter ihnen betätigten einige Fahrer ihre Hupe. Sie hielten den Verkehr auf. Er streckte ihr die Hand hin. Die Spionin biss sich auf die Unterlippe. Schweißperlen glänzten auf ihrer Nase.
„Mach schon!“, sagte der Fahrer und später erinnerte sich Frank daran, dass es das einzige war, was er diesen Mann je sagen hörte. Ilka riss den Umschlag auf und reichte ihm seine Papiere. Ohne einen Blick darauf zu werfen, steckte er sie ein und griff nach seiner Reisetasche. Neben ihnen tauchte eine gebeugte alte Asiatin auf, die einen, mit Durianfrüchten überladenen Handkarren, vor sich her schob. Als sie an dem Pajero vorbei war, sprang er aus dem Wagen und tauchte ungesehen in das Gewusel des fußläufigen Volkes ein. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Geländewagen weiterfuhr, wagte aber nicht, genauer hinzusehen. Ihm war bewusst, dass er als Europäer unter lauter Asiaten wie ein Elefant unter Mäusen auffiel. Aber nach Thailand konnte er nicht zurück. Der Strom der Massen spülte ihn Richtung Laos. Nguyen würde ihn sehen, sobald er nah genug am Grenzübergang war und sich nicht mehr hinter irgendwelchen Karren verstecken konnte. Zögernd warf er einen Blick über die Brüstung. Zwanzig Meter unter ihm wogten die braunen Fluten des Mekong, der viel Wasser führte – zu viel Wasser!
Er verwarf den verwegenen Gedanken in die brodelnde Brühe zu springen. Stattdessen wechselte er seine Position und trottete gebückt hinter zwei Ochsen her, die mit den pendelnden Schwänzen breit gefächert Fäkalien verteilten. Noch sechzig Meter.
Zum einen fühlte er die Hitze in seinem Nacken, zum anderen die Gänsehaut auf den Unterarmen. Der Winkel, in dem er sich auf Nguyen zubewegte, wurde immer steiler. Der Sumomann beobachtete aufmerksam die vorbeifahrenden Autos und stand schräg mit dem Rücken zu ihm. Nguyen schien sich nur auf die Insassen der passierenden Fahrzeuge zu konzentrieren. Das Fußvolk wurde hinter ihm vorbei geleitet. War das seine Chance? Konnte er unbemerkt an Khams Handlanger vorbei nach Laos hineinkommen? Er machte sich nichts vor. Sie würden ihn kontrollieren, ihn ansprechen, weil er nicht asiatischer Herkunft war und zu Fuß über die Grenze wollte. Das würde der Aufmerksamkeit des großen Asiaten nicht entgehen, selbst, wenn es sich hinter seinem Rücken abspielt.
Er war bis auf die Unterhose durchgeschwitzt und sein Hemd tropfte. Der Mitsubishi näherte sich der Grenzpatrouille. Nguyen löste sich aus dem Schatten des Unterstandes und machte zwei Schritte auf die Fahrbahn. Die Grenzbeamten reagierten ebenfalls und hoben unmerklich die Läufe ihrer Maschinenpistolen. Eine Gruppe von sieben Mönchen drängelte an Frank vorbei und raubte ihm für zwei Sekunden die Sicht. Er ließ sich an die Brüstung drängen und reckte
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