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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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abgedunkelten Raum. Seine Augen brannten, ein abstoßender Geruch hing in seiner Nase und im Rachen spürte er ein Kratzen, wie bei einer Halsentzündung. In seinem Gedächtnis kramte er nach Hinweisen, wo er sich befand. Das erste, was ihm einfiel, war das reißende, braune Wasser des Mekong, das in schäumender Gischt um mächtige Betonsäulen gurgelte, dann die Hühner und mit dem Echo des Gegackers war alles wieder da. Er blickte an sich hinunter, sah seine nackten Zehen und stellte fest, dass er eine Art Judoanzug trug, beschaffen aus grauem Leinenstoff, der sich kratzig anfühlte und
    dessen Arme und Beine viel zu kurz waren. Die Stiche an seiner Wade, mittlerweile zu rot entzündeten und eitrigen Kratern geworden, juckten wieder. Ein beunruhigender Anblick. Er versuchte nicht weiter daran zu denken. Seine Armbanduhr sagte ihm, dass es kurz nach sieben war, ob morgens oder abends, konnte er nicht einschätzen.
    Ungeachtet der körperlichen Blessuren richtete er sich auf, schwang seine Beine über die Pritsche und rappelte sich hoch. Ein stechender Kopfschmerz machte sich bemerkbar und er geriet ins Schwanken. Kräftig hustete er dreimal und würgte Reste von Hühnerflaum aus seinem Rachen, die er in seine Hand spuckte. Angeekelt wischte er sie an der Hose ab. Seine Augen, mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, erfassten den Raum. Neben der Pritsche gab es einen niedrigen Tisch mit zwei Hockern und ein Regal an der Wand, darunter ein Schrein mit einer sitzenden Buddhafigur. Davor standen Schälchen mit Opfergaben. Rechts davon war eine halb geöffnete Tür, durch die der schwache Schein einer Lampe fiel. Bemüht, kein Geräusch zu verursachen, trat er in den Türspalt und schielte in das angrenzende Zimmer. Als erstes sah er einen dunkelrot glänzenden Lacktisch, auf dem in einfachen Tonbechern heißer Tee dampfte. Über dem Tisch hing ein Lampion aus weißem Reispapier, der gedämpftes Licht spendete. Er schob seinen Kopf etwas weiter durch den Spalt. Am Tisch saß ein alter Mann, der einen ähnlichen Anzug wie er trug. Sein Haar war schlohweiß und kurz geschnitten. Über der Oberlippe kräuselte sich ein dünnes Bärtchen. Der Schein der Lampe zeichnete tiefe Falten unter die grauen, wachen Augen des Mannes. Frank glaubte, ihn zu kennen. Der alte Asiat winkte ihn zu sich.
    Ohne ihn aus dem Blick zu verlieren, durchschritt er das Zimmer und setzte sich auf die Bambusmatte, dem Mann gegenüber. Der Laote schenkte ihm Tee ein. Das starke Aroma stieg ihm in die Nase und vertrieb den Gestank nach Hühnerscheiße, der noch immer in seinen Schleimhäuten klebte.
    „Wer sind Sie?“
    „Seinen Namen zu nennen, bedeutet lediglich ein Geräusch von sich zu geben, welches das Rascheln der Blätter im Wind übertönt.“ Die Stimme war weich. Der Greis sprach deutsch, betonte die Silben und Worte richtig. Er wusste nicht, was davon halten sollte. Asiatische Weisheiten hatte er in den letzten Tagen genug gehört und jemand, der seinen Namen verschwieg, wirkte auf ihn nicht vertrauensselig. Andererseits strahlte der alte Mann eine innere Ruhe aus, die auf ihn überzugehen schien. Er konnte nicht behaupten, dass ihm dieser Mann unsympathisch war.
    „Wo bin ich?“
    „Am Ziel.“
    „Vientiane?“
    Der Alte nickte.
    „Welcher Tag?“
    „Mittwoch.“
    Frank überlegte. Es beruhigte ihn, dass er nur den Nachmittag verschlafen hatte. Gestern war er noch in Bangkok gewesen. Heute war er einen Schritt weiter.
    „Warum haben Sie mir geholfen?“, fragte er.
    Der Alte bekam einen melancholischen Blick. Seine buschigen,
    weißen Augenbrauen zuckten und die Stirn wurde noch eine Spur faltiger. „Aus demselben Grund wie die anderen. Weil du der Ochse bist, der bereitwillig die schwersten Lasten zieht“, erklärte er ohne Spott in der Stimme.
    Frank war sich nicht sicher, ob er gerade eben beleidigt wurde, verstand aber durchaus die Andeutung. Der Asiat lächelte ihn an, schien mit seiner Bemerkung keine bösen Absichten zu verfolgen.
    „Für was wollen Sie mich an den Karren spannen?“
    „Es gilt deiner Bestimmung zu folgen und Le Ah zu helfen. Die Drachen müssen besänftigt werden!“
    „Wo ist Lea?“
    Wieder füllten sich die grauen Augen mit Traurigkeit. „Die Tochter des Drachen akzeptiert ihr Schicksal und kennt ihre Aufgabe, aber ich fürchte, sie wird ihrer nicht gewachsen sein. Das ist schlimm, sehr schlimm!“
    Zu viel Reisschnaps , dachte er und trank von dem Tee. Er brauchte Zeit, um eine Entscheidung zu

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