Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
Vom Netzwerk:
war sie verschwunden.
    „Kannst du jetzt wieder arbeiten?“, fragte Sylvia schroff. „Meine Gäste verdursten!“
     
     
    Wie man teuren Rotwein vergeudet
    28. Juni 2003
    Ilka kam spät, erst kurz vor zwei Uhr schwebte sie herein. Es waren nur noch wenige Gäste anwesend, die Musik war leiser geworden. Lockmann hatte sich verabschiedet. Sylvia reinigte die Tische und dekorierte sie für den nächsten Abend. Er polierte Gläser. Da stand sie in voller Größe und mit einem gewinnenden Lächeln vor ihm. Sie trug eine leichte Seidenbluse und einen knappen Rock, der an beiden Seiten geschlitzt war. Ehe sie etwas sagte, steckte sie sich eine Marlboro Light an und blies den Rauch gegen die Decke.
    „Ich dachte schon, du hättest mich vergessen“, meinte er und sah demonstrativ auf die Uhr.
    „Besser spät als nie. Hast du mich vermisst?“
    Er lachte. „Sehr. Was treibt dich nach so langer Zeit wieder in diese Gegend?“
    „Geschäfte und verflossene Bekanntschaften.“
    Er legte den Lappen weg und stellte die Gläser ins Regal. Dann servierte er ihr einen Aperol sour . Sie liebte es herb. Er selbst öffnete sich ein Sol und nahm einen kräftigen Schluck des spanischen Biers. „Was macht der Leguan?“, wollte er wissen.
    „Leidet unter meinen vielen Reisen. Ich denke, ich lasse ihn zu oft allein. Er frisst nach wie vor wenig und nur, wenn ich da bin.“
    „Dann solltest du nicht zu lange von zu Hause fort bleiben! Wo wohnst du jetzt?“
    „Ich bin wieder nach Stuttgart gezogen. Sonnenberg.“
    „Teure Gegend.“
    Sie nippte an ihrem Glas, rauchte ihre Zigarette zu Ende und blieb die Antwort schuldig. Sie hatte abgenommen. Ihre Augen lagen tiefer in den Höhlen als vor einem Jahr. Er würde sie jetzt älter als 27 schätzen und das, was ihn so an ihr fasziniert hatte, schien ihr abhanden gekommen zu sein. Sie sprühte nicht mehr voller Lebensfreude, sondern sah aus, als nagte etwas Dunkles an ihr – etwas mit scharfen Zähnen.
    „Kann ich was für dich tun?“, fragte er bedächtig. Sie griff nach einer weiteren Marlboro. Ihr Feuerzeug flammte auf und sie sog gierig an der Zigarette. Die schimmernde Glut zeichnete tiefe Schatten um ihre Mundwinkel. Im Hintergrund sang Paul Simon von einem Mädchen mit Diamanten an den Sohlen ihrer Schuhe.
    „Ich wollte dich nur mal wieder sehen. Das ist alles. Wie geht es dir?“
    Er zeigte seine Grübchen. „Wie immer. Es hat sich nichts an meiner Misere geändert oder warum glaubst du, stehe ich immer noch hinter diesem Tresen?“
    „Wann macht ihr zu?“
    „Seit sie uns die Sperrzeit verlängert haben, ist an Wochenenden immer bis drei auf. Nur die Gäste haben sich noch nicht daran gewöhnt“, erklärte er und deutete auf die leeren Tische.
    „Wenn es dir nichts ausmacht, warte ich, bis du fertig bist. Bei der Hitze kann ich ohnehin nicht schlafen.“
    „Na, wenn das der einzige Grund ist, warum du mich beehrst?“ Ilka lachte und stieß dabei einen Schwall Rauch aus. „So war das nicht gemeint. Ich dachte nur, vielleicht gehst du noch mit in einen Club. Mal wieder so richtig abtanzen wie früher.“
    „Erwarte nicht zu viel von mir, ich steuere schon auf die Vierzig zu. Da tanzt man in der Regel nicht mehr ab. Da schleppt man sich um diese Zeit ins Bett.“
    „Sollte sich seit dem letzten Jahr so viel verändert haben? Das kann ich nicht glauben.“ Nach diesen Worten leerte sie ihr Glas und bestellte einen weiteren Drink. Bis zu seinem Feierabend hüllte sie sich in Schweigen, rauchte eine Zigarette nach der anderen und trank drei weitere Gläser Aperol sour . Fünf Minuten nach drei saßen sie in seinem Volvo. „Wohin jetzt?“, fragte sie mit gespieltem Enthusiasmus.
    „Das klingt nicht gerade, als wärst du versessen darauf noch in eine Disco zu gehen. Ich möchte mich da nicht ausnehmen. Fahren wir zu mir. Ich habe noch ein Flasche 98er Léoville Barton im Keller.“
    „Du hast doch gar keinen Keller“, rügte sie ihn mit breitem Grinsen.
    „Du hast Recht. Der Keller fehlt, nicht aber der Wein.“
    Sechs Minuten später bog er in die Seestraße ein und parkte den Wagen. Beim Aussteigen irritierte ihn etwas, wobei er nicht sagen konnte, woher dieses Gefühl kam. Er sah sich um. Unten an der Bushaltestelle stand jemand, der sich in den Schatten der Überdachung drängte. Frank starrte eine Weile in die Richtung, aber die Person rührte sich nicht. Ilka tat ihre Ungeduld mit einem Raunen kund. Er lächelte sie an, blickte nochmals die Straße hinunter

Weitere Kostenlose Bücher