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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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griff nach ihrer Handtasche und stürmte aus der Wohnung. Ihre hochhackigen Manolo Blahnik Schuhe klapperten auf den Steinstufen des Treppenhauses. Frank hörte die Haustür zuschlagen, dann war es still. Für einen kurzen Moment hatte er den Eindruck, dass ihr emotionaler Ausbruch übertrieben oder nur gespielt war.
     
     
    Frank und Lea und Vorurteile
    26. August 2002
    Ein beklemmendes Gefühl hatte sich bei ihm eingeschlichen. Ein nicht zu klassifizierendes Unwohlsein, angehaucht von einer beißenden Peinlichkeit, die ihm zarte Nuancen von Gesichtsröte bescherte. Je mehr Leute ihn ansahen oder sich nach ihm umdrehten, umso wärmer wurde ihm.
    Er war mit Lea in einem Restaurant im Zentrum. Ein gut besuchter Mexikaner, bei dem man ohne Reservierung grundsätzlich chancenlos war, einen Tisch zu bekommen. Selbst für einen Montag war das Lokal brechend voll. Frank hatte daher vorgesorgt, einen Tisch für zwei Personen auf acht Uhr bestellt und mit Lea vereinbart, sie um halb acht vor dem Mandarin abzuholen.
    Lea war pünktlich. Sie trug ein schwarzes, eng anliegendes Kleid und dazu passende Schuhe mit hohen Absätzen. Was ihm an ihrer bisherigen Erscheinung in Kellnerkleidung verborgen geblieben war, kam nun vollends zur Geltung. Sie bewegte sich in diesem gelungenen Outfit elegant wie eine Raubkatze. Als sie das volle Restaurant betraten und die ersten Blicke der anderen Gäste auf sich zogen, spürte er, wie das bedrückende Gefühl seinen Hirnstamm hoch krabbelte.
    Jetzt saß es in seinem Kopf und wirbelte sein Selbstvertrauen durcheinander. Es zwang ihn dazu, sich ständig zu fragen, was all die anderen Leute von ihm halten würden? Er, der Deutsche, der mit einer Asiatin ausging. Plötzlich fühlte er sich in der Lage, die Gedanken der Menschen um ihn herum zu lesen. Frank, der Telepath, verstand jeden einzelnen von ihnen
    ... die hat der sich doch bestellt! ... aus dem Katalog! ... hat wohl keine Deutsche abgekriegt! ... Mal kurz auf den Philippinen gewesen und sich eine besorgt! ... Ihren verarmten Eltern für eine Hand voll Kröten abgekauft!
    Nein!, er versuchte die Stimmen in seinem Kopf loszuwerden. Lea sollte nicht merken, dass es ihm peinlich war mit ihr hier zu sitzen. Er wollte diesen Teufel vertreiben, redete sich ein, dass alles unbegründet sei und die anderen Gäste keineswegs solch diskriminierende Vorurteile hegten. Seine Begleitung sprach perfekt deutsch und verhielt sich gemäß jeder Etikette. Sie machte keineswegs den Eindruck, als käme sie aus den Slums von Manila. In ihrem Auftreten fand man nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass sie ein unfreiwilliges Leben als Putzfrau, Sexgespielin oder Zuchtmaschine in einem deutschen Haushalt fristete. Mit einem psychologischen Trick versuchte er, sich von dieser Beklemmung zu befreien und redete sich ein, dass er überhaupt nicht, schon gar nicht optisch, dem Typ Mann entsprach, der sich eine Asiatin aus dem Katalog bestellte. Und doch verhielt er sich so, wirkte beschämt und unsicher, konnte den Teufel nicht abschütteln, der in seinem Nacken hing. Der Schweiß bedeckte seinen Rücken, tränkte das Hemd; er wagte kaum nach links und rechts zu schauen und hoffte, dass niemand aus seinem Bekanntenkreis in das Lokal kam.
    Er bestellte zwei Margaritas als Aperitif und kippte seinen hastig hinunter. Der Tequila rann feurig die Speiseröhre hinab und die Hitze breitete sich in seinem Magen aus. Der Alkohol jagte umgehend und ohne Umwege in sein Gehirn, löste langsam die Krämpfe in seinem Verstand. Lea schien sein zögerndes Verhalten nicht zu bemerken, oder übersah es dezent. Insgeheim dankte er ihr dafür.
    Um endlich auf andere Gedanken zu kommen, konzentrierte er sich auf ihre dunklen, unergründlichen Augen. Sie waren nicht so eng geschlitzt, wie er es von chinesischen Frauen her kannte. Die indochinesischen Einschläge schienen ihm jetzt offensichtlich. Er studierte jede Linie in ihrem makellosen Gesicht und wünschte, die perfekten Konturen mit seinem Finger nachzeichnen zu können. Das half ihm, die Leute um sich herum zu vergessen.
    Lea bestellte eine Suppe aus grünen Tomaten und einen Salat. Frank entschied sich für Tortillas auf Avocadomus mit einer scharfen Soße, die ihm noch mehr Schweiß aus den Poren trieb, andererseits eine glaubhafte Begründung für sein durchgeschwitztes Hemd lieferte. Dazu trank er mexikanisches Bier und sie nahm einen argentinischen Cabernet. Eine ausgezeichnete Wahl, wie er empfand und die sein Vorurteil

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