Die Steinernen Drachen (German Edition)
in meinem Besitz, ich bin nutzlos für Sie und nur unnötiger Ballast.“
Wangs Stäbchen hielten in der Bewegung inne. Ein kleiner Reisklumpen fiel zu Boden. „Wir waren zu voreilig und haben alle Bildnisse und Vorlagen des Drachen zerstört, um zu verhindern, dass je wieder ein Laote aus der Monarchenfamilie die Tätowierung erhält. Es ging darum, unser Land zu schützen. Wer den Drachen trägt, hat die Macht über die Wesen des Himmels und kann sie erneut gegen uns aussenden. Das zu verhindern, war und ist meine Aufgabe. Leider gelang es nicht, alle Darstellungen des Drachen zu vernichten. Der Feind ist im Besitz von mindestens einer Abbildung. Ich habe versagt und meine Ehre verwirkt. Nur, wenn es mir gelingt, alle zu töten, die den Drachen tragen, kann ich aufrechten Hauptes in mein Land zurückkehren. Sie wissen, wie der Drache aussieht. Überdies kennen Sie diejenigen, die ihn auf ihrer Haut tragen. Ich dagegen habe weder Prinzessin Le Ah noch die Enkelin Savang Vattanas jemals gesehen. Beantwortet das Ihre Frage?“
Er sah ihn fassungslos an. Wang verlangte von ihm, die beiden Frauen zu identifizieren, damit dieser sie exekutieren konnte. Ein weiterer Fanatiker, der ohne Skrupel seine Ziele verfolgte, genau wie Kham, nur mit gegensätzlichen Absichten. Wang fühlte sich und sein Land bedroht, wenn es Kham gelingen sollte, die Macht der Drachen für sich zu nutzen. Es lag auf der Hand, dass der laotische Geheimdienstchef dieses Ziel verfolgte. Er hatte nie daran gedacht, die Drachen durch ein Blutopfer schlafen zu lassen. Kham strebte nach der Macht der Drachen, um mit ihrer Hilfe, die Welt zu beherrschen.
In der dünnen Luft des Xiangkhoang-Plateaus, weit über dem grünen Dickicht des Regenwaldes, fühlte er sich endlich in der Lage, alles zu durchschauen. Mit einem Schlag erkannte er die wahren Beweggründe der Beteiligten und verstand, dass die Bürde, die man ihm auferlegt hatte, größer war, als er je anzunehmen gewagt hatte. Nur der Tod konnte diesem Schrecken ein Ende setzen
und es war womöglich an ihm zu entscheiden, wen es treffen sollte. Samsenthais Nachfahren, die das Drachenmal tragen, haben die Macht, die Himmelswesen zu lenken. Sowohl Lea als auch Chin entstammen dieser Blutlinie. Er nahm an, dass auch Chin längst ihre Tätowierung hatte. Er erinnerte sich an den Tag vor ihrer Abreise: Sie war den ganzen Tag verschwunden gewesen und abends sah sie aus, als müsse sie jeden Moment sterben. Hatte man ihr damals den Drachen in die Haut tätowiert? Der Zeitpunkt passte. Kurz zuvor war die Skizze aus seiner Wohnung verschwunden. Es sah alles danach aus, als hätte Kham seine potenzielle Kandidatin, um die Drachen zu bezwingen. Kann er hundertprozentig darauf bauen, dass Chins blaues Blut nicht zu dünn ist? Der Drache war von ihm nachgezeichnet worden und Kham konnte nicht sicher sein, ob er an manchen Stellen improvisiert hatte. Barg das ein gewisses Risiko? Wollte er deshalb Lea haben? Aber auch ihre Tätowierung war unvollendet. Konnte man voraussehen, wie die Drachen auf die Frauen mit ihren verwässerten Abbildern reagieren würden?
Der Alte und Capitaine Xieng werden alles in ihrer Machtstehende tun, um die Drachen weitere 72 Jahre in ihrem versteinerten Zustand zu lassen. Dafür brauchten sie ihr Blutopfer, wofür Lea die erste Wahl war. Konnte auch Chin als Opfer wirken? Lea selbst hatte ihren eigenen Trumpf im Ärmel. Ein weiteres Kind aus der königlichen Blutlinie, wenn auch etwas verunreinigt durch seinen unaristokratischen Beitrag. Aber war Lea tatsächlich in der Lage, ihre Tochter zu töten? Wenn man der Befürchtung des Alten Glauben schenkte, will sie auf keinen Fall selbst in den Tod gehen. Frank sah ein, dass Kham keine Macht über diese mystische Quelle erhalten durfte. Um das zu verhindern, musste eine der Königstöchter sterben. Diese Erkenntnis war ebenfalls im Sinne von Lieutenant-Commander Xietai
Wang. Es blieb nur offen, ob die Frauen überhaupt als Opfer dienten, da beide ein Drachenmal trugen? Schützte die Tätowierung davor, für die Drachen zu sterben? War es nicht das, was der alte Asiat angedeutet hatte? Hatte Lea deshalb alles daran gesetzt, dieses Tattoo zu bekommen? Wenn dies der Fall war, blieb nur noch das Kind. Sein Kind!
Wang gab den Befehl zum Aufbruch. Frank, der wie festgefroren an der Felswand lehnte, erwachte aus seinen Gedanken. Seine zuletzt gefundene Einsicht hatte sein Blut zu Eis werden lassen. Er fühlte sich nicht in der Lage auch nur
Weitere Kostenlose Bücher