Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
Vom Netzwerk:
Tasche und zog Khams Visitenkarte heraus. Sein Daumen hinterließ einen dunkelroten Abdruck auf dem edlen Papier. Das Rot des Blutes unterschied sich kaum von der gedruckten Farbe. Mit zitternden Fingern wählte er die Nummer und nach dem dritten Klingeln wurde das Gespräch entgegen genommen. Khams Stimme klang wie ein rostiges Scharnier.
    „Hier ist Grabenstein. Ich bin in Schwierigkeiten!“ Schwierigkeiten sind die Untertreibung des Jahres , dachte er bei sich.
    „Wo sind Sie?“, fragte Kham.
    Noch nie in seinem Leben hatte er eine ähnlich prekäre Situation durchlebt: in einer fremden Wohnung, das Blut eines Erhängten an den Händen. Doch trotz dieser schlimmsten Voraussetzungen war sein Verstand immer noch erschreckend klar, seine Wahrnehmung aufs äußerste geschärft. Vielleicht empfand er deshalb die Reaktion des Anwalts als unangebracht. Vor seinem geistigen Auge sah er blinkende Alarmleuchten. Warum fragt er mich nicht zu allererst, was passiert ist?
    „Herr Grabenstein! Sind Sie noch dran?“
    „Ja!“
    „Was kann ich für Sie tun?“
    Er setzte alles auf eine Karte und wunderte sich erneut, dass es ihm gelang, so kalkuliert zu denken. „Ich bin bei Kreutzmann.“
    „Ich verstehe nicht ganz?“, erwiderte der Anwalt.
    Frank fühlte sich bestätigt, vermutete, dass Kham mehr wusste, als er gerade vorgab.
    „Kreutzmann war einer von Leas Bekannten. Er wollte mir wichtige Informationen geben, aber er ist tot. Ermordet in seinem Badezimmer!“
    „Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Ich schicke Ihnen jemand vorbei, der Ihnen hilft. Geben Sie mir die Adresse!“
    Unnötig , dachte er und nannte sie ihm.
    „Wir finden eine Lösung“, meinte Kham beschwichtigend und legte auf.
    Er ging in die Küche und wusch sich notdürftig Hände und Gesicht. Der Moment der absoluten Klarheit war vorüber. Seine Gedanken wurden erneut von beängstigenden Emotionen überschwemmt. Zitternd schenkte er sich eine Tasse Kaffee ein, fand weder Milch noch Zucker und kippte den Kaffee fluchend ins Spülbecken. Was mache ich hier?
    Die Vernunft drängte ihn, die Polizei zu rufen. Seine Unschuld musste doch beweisbar sein, trotz des Blutes an seiner Kleidung. Er wollte Kreutzmann retten.
    Seine Schuhe hinterließen überall rote Abdrücke, die sich nach einer Weile braun verfärbten. Er versuchte die schockierenden Bilder in seinem Kopf auszublenden, um wieder das Stadium des neutralen Betrachters zu erreichen. Ihm war klar, dass er nur so die Panik in Zaum halten konnte, die in seinem Kopf zu wachsen begann. Vorerst gelang es ihm, die Kontrolle über seinen Verstand zu behalten. Er ging nochmals durch die Wohnung. Kreutzmann wollte ihm etwas Wichtiges mitteilen. Lea wollte Rache ... den Tätowierer ... nichts gesagt.
    Vielleicht fand er irgendwo einen Hinweis? Etwas, was ihm weiterhalf, dieses Rätsel zu lösen. Als er das Licht im Flur einschaltete, fiel sein Blick auf das Telefon. Erneut dachte er daran, sofort die Polizei zu benachrichtigen. Eine unumstößliche Einsicht, falsch zu handeln, schlängelte sich durch seine Gedanken und setzte sich mit dem Gewicht eines Elefanten auf sein Gewissen. Ein beißender Zorn stieg in ihm hoch, die einzige ihm verbliebene Form, ein Ventil für seine auswegslose Lage zu schaffen. Wo war er nur hineingeraten?
    Wütend trat er gegen den kleinen Telefontisch, so dass alles darauf quer durch den Raum flog. Handgerät und Ladestation knallten laut gegen die Schlafzimmertür. Telefonbücher, Kugelschreiber und etliche Notizzettel lagen kreuz und quer auf dem Boden. Er wollte gerade den Garderobenspiegel von der Wand reißen, als seine Augen an einem postkartengroßen Werbeflyer hängen blieben, der unter den verstreuten Zetteln lag.
    Im ersten Moment dachte er, es handle sich um den Prospekt einer Heavy Metall Band. Die runenartige Schrift und die verschnörkelte, diabolische Gestaltung deuteten darauf hin. Doch als er genauer hinsah, erkannte er, dass es sich um die Werbung eines Tattoo-Studios handelte. ... den Tätowierer ... nichts gesagt.
    Konnte es so einfach sein? War das der Hinweis, den er suchte? Legte Kreutzmann eine versteckte Nachricht an ihn unter einen Stapel Papier auf seinem Telefontisch? Er las den Flyer. Das Studio befand sich im Stuttgarter Westen und kündigte an, dass man sich dort auch Piercen lassen konnte. Am linken Rand stand in kleiner Schrift das Datum: Juli 2002. Der Zettel war fast ein Jahr alt. Der Zeitpunkt passte. Er steckte ihn ein. Als er aufsah, drohte

Weitere Kostenlose Bücher