Die Steinernen Drachen (German Edition)
historischen Altstadt zu ruinieren. Nachdem er den hässlichen Betonklotz hinter sich gelassen hatte, sprintete er die Schmidener Straße hoch und erreichte mit einem Stechen in der Lunge und durchgeschwitzt die obere Stadtmauer.
Außerhalb des alten Gemäuers standen in der Regel ausreichend Parkmöglichkeiten zur Verfügung. Er musste sich mit einer Hand an einem Laternenpfahl festhalten, während er sich nach dem auffälligen Wagen umsah. Das Blut pochte in seinen Ohren. Die Hitze machte ihm das Atmen schwer, aber die Anstrengung wurde belohnt. Die Frauen bogen beim Sonnenstudio, gegenüber dem Parkhaus, um die Ecke. Die Absätze ihrer Schuhe klapperten synchron auf dem Kopfsteinpflaster. Bevor sie ihn sehen konnten, stürzte er sich mit einem übertriebenen Hechtsprung in die Nische eines Fachwerkhauses. Er prallte hart gegen die Steinwand, prellte sich die Schulter und verbiss sich den Aufschrei. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen und verebbte nur langsam. Verschwommen erkannte er in einer Spiegelung des gegenüberliegenden Schaufensters wie Thelma und Louise in die Marktgasse einbogen. Was wollte er eigentlich von den beiden? Konnte er sie einfach ansprechen und ihnen kompromittierende Fragen stellen? Was, wenn alles nur ein harmloser Zufall war? Ilka und Bettina hätten sich durchaus letzten Sommer kennenlernen können, ohne dass er es bemerkte. Aber wieso hatte eine die andere nie erwähnt? Auf Grund der Ereignisse der letzten Tage glaubte er nicht an ein spontanes Aufeinandertreffen. Sollten sie ihn dabei ertappen, wie er ihnen hinterher schnüffelte, wollte er es wie eine zufällige Begegnung aussehen lassen. Er wusste nur noch nicht, wie er seinen hochroten Kopf und die Kurzatmigkeit erklären sollte.
Während sein Verstand noch überlegte, hatten seine Beine bereits begonnen, den zwei Frauen in gebührendem Abstand zu folgen. Sie steuerten den schattigen Innenhof eines Italieners an und ergatterten den letzten freien Tisch. Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie sie Platz nahmen und sogleich von einem Kellner umgarnt wurden. Er haderte, ob er sich zu beiden gesellen oder sie weiter belauern sollte. Keine Minute, nachdem die beiden bestellt hatten, wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Eine dritte Person setzte sich zu den Frauen. Der Mann im hellgrauen Anzug war von der anderen Seite gekommen und kehrte ihm den Rücken zu. An den Gesten erkannte er, dass nach wenigen Sekunden heftig diskutiert wurde. Leider hörte er nicht, worüber gesprochen wurde. Nach einer Weile brach das Gespräch ab, da der Ober mit zwei Cappuccino an den Tisch trat, die er den Frauen servierte. In diesem Augenblick drehte sich der unbekannte Mann zum Kellner, um zu bestellen. Am Profil des Mannes erkannte Frank eindeutig dessen asiatische Züge.
Einer war nicht genug
29. Juni 2003
Die gelben Absperrbänder der Polizei flatterten warnend im warmen Abendwind, als er an der Einfahrt zum Innenhof des Chinarestaurants vorbeiging. Noch immer schienen Techniker der Mordkommission den Tatort nach forensischen Spuren abzusuchen. Der Drang, sich in die Traube der Schaulustigen zu stellen war groß, doch er widerstand. Es sollte ihm niemand nachsagen, dass es den Täter an seinen Tatort zurückzieht.
Zurzeit war es klüger, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Daher lief er mit gesenktem Kopf vorbei, eilte, ohne auf den Verkehr zu achten, über die Bahnhofstraße und hatte Glück, dass er nicht überfahren wurde. Sylvia war schon da und sah ihn misstrauisch an.
„Ich war’s nicht!“, sagte er, b evor sie den Mund aufmachen konnte.
„Hätte ich dir auch nicht zugetraut. Was ist eigentlich
passiert?“
„War die Polizei bei dir?“
Sie nickte. „Sie wollten wissen, ob du gestern Nacht mal weg warst. Zuerst sagte ich, dass du die ganze Zeit hinter dem Tresen gestanden hast, musste mich dann aber korrigieren. Olaf erzählte ihnen was anderes und dann fiel mir auch wieder ein, dass er kurz die Bar übernommen hatte. Tut mir leid, wenn ich dir damit nicht gerade geholfen habe, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wieso sich die Bullen dafür interessieren. Dass es mit diesem chinesischen Kellner aus dem Mandarin zusammenhing, erfuhr ich erst im Nachhinein.“
Er versuchte ein Lächeln. „Ich mache dir keine Vorwürfe. Du hast nur die Wahrheit gesagt.“
Sie machten sich an die Arbeit. Er half ihr beim Abstuhlen, dann bereitete er die Bar vor. Als er beim Schneiden der Limetten war,
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