Die Steinernen Drachen (German Edition)
der nächste Herzstillstand. Vor ihm stand der asiatische Schrank im schwarzen Anzug. Er taumelte zurück und nur die Wand hinter ihm verhinderte, dass er zu Boden ging.
„Sie haben die Tür offen gelassen“, sagte der Sumomann. Unter seinem rechten Arm trug er eine aufgerollte Plastikplane, in seiner linken Hand hielt er eine kleine Reisetasche.
„Die Tür“, stammelte Frank. Ihm fiel ein, dass er sie nicht zugezogen hatte, als er die Wohnung betrat.
Der Asiat musterte ihn mit ausdruckslosen Augen. „Hat Sie jemand gesehen, als Sie das Haus betraten?“
Er schüttelte den Kopf, obwohl er es nicht sicher wusste. Seine Antwort schien dem Asiaten zu reichen.
„Ziehen Sie Ihre Sachen aus“, befahl er und hielt ihm einen blauen Müllsack hin, den er aus seiner Tasche gezogen hatte. Frank nahm den Plastikbeutel entgegen, immer noch damit beschäftigt, seine Pulsfrequenz zu senken.
„Gehen Sie ins Bad und waschen Sie sich gründlich! Dann ziehen Sie das an!“, verlangte der Asiat in knappen, präzisen Anweisungen und warf ihm eine Jeans und ein T-Shirt zu. „Und beeilen Sie sich!“
Er entledigte sich seiner blutigen Kleidung. Ehe er sie in den Müllsack steckte, zog er heimlich den Prospekt des Tätowierers aus der Hosentasche und ließ ihn in seiner Short verschwinden. Auf keinen Fall wollte er zurück ins Badezimmer, daher nahm er den Garderobenspiegel von der Wand und ging damit in die Küche. Er stellte ihn hinter das Spülbecken auf die Anrichte. Das nach seiner ersten Waschung verbliebene Blut in seinem Gesicht und am Hals schrubbte er sorgsam mit einem Spülschwamm ab. Danach zog er die Sachen an, die der Sumomann mitgebracht hatte.
Dieser war zwischenzeitlich ins Bad verschwunden, kam aber heraus, als Frank im Flur den Spiegel zurückhängte. Er ging ins Wohnzimmer und schaute durch die halb herunter gelassenen Jalousien auf die Straße. „Gehen Sie jetzt! Keiner wird Sie sehen. Fahren Sie nach Hause und reden Sie mit niemandem darüber. Mister Kham meldet sich bei Ihnen.“, erklärte er und schob Frank nach draußen.
Vier Frauen und ein Leguan
30. August 2002
Sie kam mit ihren Arbeitskollegen in die Bar. Diesmal waren sie zu sechst, neben Lea noch eine weitere Frau und vier Männer. Die Chinesen steuerten ihren gewohnten Tisch an, der gerade frei geworden war. Lea wollte zu Frank an den Tresen, doch Zhong packte sie am Oberarm und riss sie unsanft herum. Der Kellner schob sie vor sich her zu den anderen und platzierte sie so, dass sie der Bar den Rücken zuwandte. Sie schien sich zu fügen.
Er beobachtete die Szene mit zunehmendem Missmut, konnte aber seinen Platz hinter der Theke nicht verlassen. Mit zornigem Blick schielte er zum Tisch der Chinesen, erntete aber nur Ignoranz. Er mixte in aller Eile die georderten Drinks und stapfte dann mit versteinerter Miene auf die Chinesen zu.
Sylvia stellte sich ihm in den Weg. „Mach keinen Ärger, das sind zahlende Gäste!“
„Hast du gesehen, wie er sie angefasst hat?“, fragte er erbost. Die Bedienung nickte, blieb aber unnachgiebig und schob ihren Kollegen wieder zurück hinter die Bar. Zunächst wollte er protestieren, gab sich aber dann doch geschlagen. Sylvia hatte Recht. Vor den anderen Gästen konnte er sich keine Entgleisung leisten. Wenn Lockmann davon erfuhr, würde er ihn sicher sofort auf die Straße setzen.
Er ertrug die Situation bis zur Sperrstunde. Als die Chinesen gezahlt hatten und im Gänsemarsch an der Bar vorbei auf die Tür zustrebten, fixierte er jeden einzelnen mit grimmigem Blick. Lea ging als Vorletzte und dicht hinter ihr Zhong. Sie sah ihn mit ihren Zauberaugen an und seine Züge entspannten sich sofort. Ihre vollen Lippen formten lautlos die Worte bis Morgen . Dann war sie an ihm vorbei und er sah in das hämisch grinsende Mondgesicht des Oberkellners. Er schluckte seinen Ärger hinunter und lächelte möglichst fies zurück. Er versuchte sich zu erinnern, wann er sich mit Lea für den nächsten Tag verabredet hatte, kam aber nicht darauf. Das kribbelnde Schmetterlingsgefühl in seinem Bauch lenkte ihn davon ab, klar zu denken. Er hoffte, sie würde sich noch einmal bei ihm melden, denn ihm fiel nicht mehr ein, wo sie sich treffen wollten.
Sylvia überredete ihn nach der Arbeit mit ins M3 zu kommen. Der Club lag im Industriegebiet und war gerammelt voll. Harte Beats hämmerten ihnen schon im Foyer entgegen. Die Luft war rauchig und von Schweißgeruch und Parfümdüften durchzogen. Er erhaschte einen
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