Die Steinernen Drachen (German Edition)
schnellen Blick in die geweiteten Pupillen eines Extacy-Dealers, der im Eingangsbereich der Toiletten herumlungerte, dann quetschte er sich hinter Sylvia durch die brodelnde Menge. Schnell fanden sie ein paar bekannte Gesichter. Irgendwer bestellte eine Runde Wodka-Lemon. Die Unterhaltungen waren sporadisch, verliefen immer nach dem gleichen Schema. Man schrie etwas seinem Gesprächspartner ins Ohr und dieser brüllte auf dieselbe Art zurück. Das reduzierte die Kommunikation auf ein Minimum.
Die flackernden Stroboskoplampen machten es schwer, mehr als nur Umrisse zu erkennen. Die Bässe malträtierten das Trommelfell. Frank löste sich aus der Runde und drückte sich entlang der Tanzfläche durch die Massen. Er bekam die Szene zwischen Lea und Zhong nicht aus dem Kopf. Die vielen schwitzenden Körper, das Flackerlicht, der Lärm und die aufgeheizte Atmosphäre rückten in weite Ferne. Erst als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, nahm er seine Umwelt wieder wahr. Er sah sich um. In einer Nische neben dem Discjockey saßen die Zwillinge. Melanie lächelte ihn an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Bettina verzog die Mundwinkel. Ihre blauen Augen blickten ihn melancholisch an. Er wunderte sich aufs Neue über die unterschiedlichen Charaktere der Zwillinge. Während Melanie die überschäumende Lebenslust in Person war, trug ihre Schwester stets einen Schleier von Traurigkeit mit sich. Sie stellte zunächst alles in Frage und ging stets vom Schlechtesten aus. I m Zweifel gegen den Angeklagten. Gleichzeitig jedoch verliehen ihr ihre Skepsis und ihre zurückhaltende Art eine unbeschreibliche Attraktivität.
Melanie begann mit ihm zu flirten. Soweit es die laute Musik zuließ, alberten sie ein bisschen herum, dann griff Bettina nach seinem Arm. „Können wir reden?“, fragte sie und deutete in Richtung Ausgang. Er suchte Melanies zustimmenden Blick, doch sie unterhielt sich bereits mit jemand anderem. Daraufhin nickte er und sie drängelten sich nach draußen. Sie liefen nebeneinander über den vollen Parkplatz. Die kühle Nachtluft prickelte angenehm auf der Haut, reinigte seine Lungen und seinen Kopf. Seine Empfindungen bekamen eine kristallene Klarheit und dieses Phänomen machte ihn nachdenklich. Er richtete seine Augen nach oben, der Himmel war sternenklar.
„Du hast eine neue Freundin?“
Die Frage überraschte ihn . Worauf sollte dieses Gespräch hinauslaufen? Er entschloss sich, die Situation erst einmal zu entschärfen und nichts zu gestehen. „Wer soll das sein?“
„Die Chinesin!“ Diese Antwort war zu entwaffnend, als dass er noch etwas hätte leugnen können.
„Woher weißt du das?“
„Sie war mit meinem Bruder zusammen - oder ist es irgendwie
noch immer.“
Das versetzte ihm einen Stich ins Herz. Lea und ein anderer Kerl. Er versuchte die aufflammende Eifersucht zu unterdrücken und gab sich teilnahmslos. „Ich kenne sie erst seit ein paar Tagen und eher flüchtig. Also, dass sie vorher was mit deinem Bruder hatte, wusste ich nicht. Ich dachte, sie lebt erst seit kurzem in Waiblingen. W ie gesagt, ich kenne sie noch nicht so lange.“
„Lang genug, um sie bei dir übernachten zu lassen!“
Er blieb abrupt stehen. „Woher ...?“
„Sie hat es Stefan brühwarm erzählt.“
„Wohin soll uns dieses Gespräch denn führen?“, fragte er mit erhobener Stimme, um seinen Missmut über dieses Verhör Ausdruck zu verleihen.
„Ich mache mir einfach Sorgen.“
„Um wen? Um mich oder um deinen Bruder?“
„Um euch beide! Diese Frau spielt falsch! Sie ...“
„Bist du eifersüchtig?“
Diesmal wurde ihre Stimme lauter, beinahe schrill. „Bilde dir bloß nichts ein! Ich meine es nur gut und will dir den Kummer ersparen, den Stefan bereits durch diese Schlampe erleiden musste.“
Der wütende Gesichtsausdruck verlieh ihr eine ungeahnte Schönheit und er konnte nicht umhin, sie an sich zu ziehen und auf den Mund zu küssen. In der ersten Sekunde erwiderte sie den Kuss, doch dann stieß sie ihn weg und lief davon. Er stand allein zwischen parkenden Autos und begann zu frösteln.
Nach einigen Minuten intensivem, aber ergebnislosem Nachdenken über Lea, wurde es ihm zu kalt und er ging zum Club zurück. Am Eingang wartete die nächste Überraschung auf ihn. Eine groß gewachsene Frau mit blonder Wuschelmähne und grünen Katzenaugen fragte ihn nach Feuer. Er glaubte, sie vom Sehen herzukennen, war aber nicht sicher. Als überzeugter Nichtraucher, war er in punkto Frauen auch
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