Die Steinernen Drachen (German Edition)
hier für alle Fälle gerüstet. Er reichte ihr ein Feuerzeug und sie streckte ihre Zigarette in die Flamme.
„Ilka“, stellte sie sich vor. Ihre Augen funkelten in einem raubtierhaften Smaragdgrün. Sie war annähernd so groß wie er und präs entierte ihre Fraulichkeit in einem engen Einteiler mit tiefem Ausschnitt. Die Kleidung sah teuer aus. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er sie auffällig musterte. Verlegen stellte er sich vor. Irgendwie gelangten sie an die Bar und sie bestellte Prosecco . Er nahm einen weiteren Wodka-Lemon. Für ein vernünftiges Gespräch war es zu laut. Ilka schlug vor, zu ihr zu gehen. Er dachte an Lea - ... Sie war mit meinem Bruder zusammen oder ist es irgendwie noch immer ... - dann an Bettinas Worte und willigte ein.
Sie einigten sich darauf, dass er ihr hinterherfuhr. Eigentlich hatte er zu viel getrunken, aber er wollte nicht kneifen. Die Frau mit den Raubkatzenaugen stieg in einen silbergrauen Mazda MX 5 und jagte mit hoher Geschwindigkeit vom Parkplatz. Er hatte Mühe, sie einzuholen. Sie steuerte den Galgenberg an, ein exklusive s W ohngebiet im Nordwesten der Stadt. Das Appartement war großzügig geschnitten und durch eine breite Fensterfront nach Süden konnte man die Stadt überblicken. Er pfiff anerkennend durch die Vorderzähne.
Die Einrichtung war geschmackvoll und puristisch. Ihm war klar, dass hier ein teurer Innenarchitekt am Werk gewesen war. An den Wänden hingen große, abstrakte Gemälde, die den Farbton der Einrichtung wieder aufnahmen. Kein Kitsch, kein Schnickschnack, alles stand, lag oder hing am richtigen Platz. Das Zusammenspiel von Architektur und Wohnaccessoires war beinahe künstlich und passte nicht zu der Frau, die hier wohnte. Aber das fiel ihm nur beiläufig auf und beschäftigte ihn nicht weiter.
Sie bot ihm an, sich zu setzen, während sie etwas Bequemeres anziehen wollte. Er nahm auf der ausladenden, naturfarbenen Ledercouch Platz und heftete seinen Blick erwartungsvoll auf die Tür, durch die sie verschwunden war. Für Sekunden überfiel ihn eine bleierne Müdigkeit. In zwei Stunden würde die Sonne aufgehen. Ein Fauchen an seinem linken Ohr ließ ihn herumfahren. Er starrte in das breite Grinsen einer Echse, die, keinen halben Meter von seinem Kopf entfernt, auf der Rückenlehne saß. Frank stieß einen Schrei aus und rutschte entsetzt von der Sitzfläche. Der Leguan legte seinen blau-grün schimmernden Kopf schräg und zeigte seine purpurne Zunge, gerade so, als würde das Reptil ihn verspotten.
Ein Lachen erschallte hinter ihm. „Ihr habt euch also schon bekannt gemacht.“
„Nicht so direkt“, erklärte er und kam sich ziemlich albern vor, wie er da neben dem Sofa kauerte. Der knapp ein Meter lange Leguan sperrte sein Maul auf.
„Das ist Jeff! Ich stelle ihn häufig als meinen Freund vor, immer mit dem Zusatz, dass sein Schwanz etwa zwei Drittel seines Körpers entspricht. Damit ernte ich stets neidische Blicke von Frauen, wie auch von Männern. Zu deiner Beruhigung, er frisst ausschließlich Salat und Insekten.“
Er konnte nur schwer seine Augen von der Echse lösen, die ihn immer noch stoisch fixierte. Doch dann sah er Ilka, die sich in ein verführerisches Dessous im Leopardenlook gehüllt hatte und der Leguan war vergessen.
Die Spur des Drachen
30. Juni 2003
Ein bohrender Schmerz über seinem rechten Auge zerrte ihn aus dem Schlaf. Seine Zunge lag wie eine fette, haarige Ratte in seinem Mund. Das Licht des fortgeschrittenen Tages fiel durch die halb geschlossenen Jalousien, bohrte sich wie Nadeln durch seine Netzhaut direkt ins Gehirn und brachte es zum Kochen. Er stöhnte auf, wälzte sich schreiend aus dem Bett und taumelte mit Funken vor den Augen ins Bad. Dort warf er zwei Migränetabletten ein und hielt seinen Kopf unter den Wasserhahn.
Der kalte Strahl dämpfte den Schmerz. Einen vergleichbar heftigen Kater hatte er zuletzt vor knapp einem Jahr. „An dem Tag, an dem ich Lea verlor“, murmelte er seinem Spiegelbild zu. Dann versuchte er sich an den Verlauf des gestrigen Abends zu erinnern: Kreutzmann war tot!
Nachdem der Sumomann ihn aus dessen Wohnung geworfen hatte, war er heimgefahren und beim Betreten seines Appartements über die Wodkaflasche gestolpert. Seinem Migräneanfall nach zu urteilen, hatte er sie komplett geleert. Vage erinnerte er sich, dass er nicht einschlafen konnte und ewig gegen die Schlafzimmerdecke starrte. Mit geschlossenen Augen war die Well zum Karussell geworden. Gewohnt,
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