Die Steinernen Drachen (German Edition)
Stuttgart, als es für ihn den Anschein hatte. Die Frage war, wer wusste davon? Ihrem Job im Mandarin war sie nicht mehr nachgegangen. Er war nicht nur einmal dort gewesen, um nach ihr zu schauen. War sie bei der Alten erst später ausgezogen, als diese behauptet hatte? Wusste Zhong davon? Oder Kreutzmann?
Es war unerträglich, dass es auf all diese Fragen keine Antworten gab. Zu allem Übel musste er bis Mittwoch warten, um Doktor Ngo zu treffen. Aber was konnte sie ihm erzählen? Konnte sie Klarheit in diesen trüben Tümpel bringen, in dem er zu fischen versuchte? Von einer aufkeimenden Ungeduld erfasst, überlegte er, ob er sie gleich noch einmal anrufen sollte. Schließlich entschied er sich dagegen, denn er wollte die Hilfe, die sie ihm freundlicherweise anbot, nicht überstrapazieren. Um ihr gegenüber nicht unvorbereitet zu wirken, übertrug er seine Fragen auf den Notizblock.
Die Türglocke riss ihn aus seiner Hausaufgabe. Kommissar Meinhans zückte seine Legitimation. Er trug dieselben Sachen wie gestern und Frank glaubte kurz an ein Déjàvu. Dann ließ er ihn wortlos ein und der Kommissar setzte sich an den Küchentisch, direkt vor seine Aufzeichnungen.
„In welcher Beziehung steht der Chinese zu Laos?“ las Meinhans laut vor.
„Das ist privat!“ Er griff nach dem Block, aber der Beamte war schneller.
„Im Rahmen einer Mordermittlung ist nichts privat. Wie ist denn Ihre Beziehung zu den Chinesen?“
„Ich habe Ihnen bereits alles erzählt, was mir zu Ao Zhong eingefallen ist.“
„Worüber haben Sie mit Frau Jiang gesprochen, am Nachmittag vor dem Mord?“
„Warum? Haben Sie die jetzt auch tot aufgefunden?“
Der Kommissar schüttelte grinsend den Kopf, wurde aber sofort wieder ernst. „Beantworten Sie meine Frage!“
„Ich wollte zu Zhong. Sie sagte mir, dass er nicht da sei.“
„Das war alles?“
Frank nickte. Er schielte unentwegt auf den Block, den Meinhans immer noch in den Händen hielt. Das oberste Blatt zitterte leicht. „Laut Aussage eines Zeugen dauerte das Gespräch etwa fünf Minuten und wurde immer heftiger.“
„Das Gespräch dauerte mit Sicherheit keine fünf Minuten und was die Heftigkeit angeht, haben Sie schon mal mit dieser Frau gesprochen? Sie erweist sich als reichlich unkooperativ.“
„In der Tat! Aber es liegt vielleicht daran, dass sie nur sehr gebrochen Deutsch spricht“, resümierte Meinhans.
Was er dachte, behielt er für sich. Die Alte hatte den Kommissar verarscht.
Der Beamte widmete sich wieder dem Block. „Sie beschäftigen
sich intensiv mit Asien?“
„Gelegentlich.“
„Kennen Sie einen Stefan Kreutzmann?“
Er wurde bleich. Urplötzlich schlug die Migräne wieder durch.
Meinhans zog die Stirn kraus. „Aus Ihrer Reaktion heraus, muss ich schließen, dass Ihnen der Mann nicht unbekannt ist. Wissen Sie, wo wir ihn finden können?“
Seine Innereien zogen sich zusammen. In seinem Kopf fuhr eine Dampfwalze. Der Druck quetschte seine Augäpfel nach außen.
„Ich würde ihm gerne ein paar Fragen stellen, kann ihn aber nirgends finden. Anscheinend ist er verschwunden, denn seit gestern Abend war er nicht mehr in seiner Wohnung und erschien auch nicht an seiner Arbeitsstelle. Haben Sie eine Idee?“
Er versuchte zu antworten, aber seine Zunge wollte ihm nicht gehorchen. Er brauchte zwei Ansätze. „Warum suchen Sie ihn?“ brachte er gequält hervor.
„Kreutzmann hatte ebenfalls ein Gespräch mit Zhong, kurz bevor dieser verstarb. Wussten Sie davon?“
Heftig schüttelte er den Kopf, dachte aber sofort an das Geräusch, das er vernommen hatte, als er den Hof verließ. Hatte Kreutzmann Zhong erschlagen? Seine Hände zitterten, daher presste er sie flach gegen die Tischplatte, sodass die Fingerkuppen weiß wurden. „Ich hatte keine Ahnung, dass die beiden sich gekannt haben.“
„Und Sie, woher kennen Sie ihn?“
„Nur flüchtig, über seine Schwestern.“
Meinhans legte den Block auf den Tisch zurück, holte ein kleines, abgegriffenes Notizbuch aus seiner Brusttasche und blätterte darin. „Bettina und Melanie Kreutzmann“, las er vor.
Er fühlte wie ein Schweißtropfen vom Haaransatz über die Schläfe und Wange bis zum Kinn lief, um sich dort in seinen Bartstoppeln zu verfangen. Die wachen Augen des Kommissars waren auf ihn fixiert. „Am Freitag hatte Stefan Kreutzmann in der Tiefgarage seines Arbeitgebers eine Auseinandersetzung mit einem Mann, auf den Ihre Beschreibung passt. Sie waren doch bisher so kooperativ.
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