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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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rächen?«
    »Nein«, erwiderte Etarr. Er blickte weit über das Moor hinweg. »Was leistet Rache? Sie bringt mir nichts. Bald schon, wenn die Sonne erlischt, werden die Menschen in die ewige Nacht starren, und alles wird sterben. Die Erde wird ihre ganze Geschichte, ihre Ruinen, ihre Gebirge, die zu Hügeln geschrumpft sind, hinaus in die unendliche Dunkelheit tragen.
    Wozu also Rache?«
    Sie verließen die Hütte und wanderten über das Moor. Etarr versuchte, ihr die Schönheiten der Landschaft zu zeigen – den Scaum, der träge durch grüne Binsen floß; die Wolken, die über den Felsen im Sonnenschein badeten; einen Vogel, der mit weiten Schwingen hoch über ihnen seine Kreise zog; den Dunst, der über dem Modavnamoor aufstieg. T'sais strengte ihr Gehirn sehr an, diese Schönheit auch zu sehen, doch nie gelang es ihr. Aber sie hatte inzwischen zumindest gelernt, den grimmigen Haß zu unterdrücken, der sie früher immer beim Anblick der Welt gequält hatte. Auch ihren Drang, alles zu töten, was ihr häßlich und böse schien, hatte sie bezwungen.
    Und ihre früher so grimmverzerrten Züge lernten sich zu entspannen.
    »Sind die Sterne nicht von majestätischer Schönheit?«
    flüsterte Etarr durch seine schwarze Kapuze. »Sie haben Namen älter als die Menschheit.«
    Doch T'sais, die der Sonnenuntergang nur düster stimmte und die in den Sternen nichts weiter als leuchtende Punkte in einem wirren Muster sah, konnte nicht darauf antworten.
    »Gewiß gibt es auf der ganzen Welt keine bedauernswerteren Menschen als uns!« murmelte sie seufzend.
    Etarr erwiderte nichts darauf. Schweigend schritten sie dahin. Plötzlich packte er ihren Arm und zog sie hastig in den Ginster. Drei riesige Wesen flatterten durch das Abendrot.
    »Die Pelgrane!« flüsterte er erklärend.
    Dicht über ihnen flogen sie nun – Alptraumgestalten, deren Flügel wie rostige Angeln quietschten. T'sais sah flüchtig einen harten, ledrigen Körper, einen scharfen Hakenschnabel und lauernde Augen in einem runzligen Gesicht. Sie drückte sich an Etarr. Die Pelgrane flatterten weiter über den Wald.
    Der Mann in der Kapuze lachte heiser. »Du erschrickst vor der Häßlichkeit der Pelgrane. Meine würde selbst sie in die Flucht schlagen.«
    Am nächsten Morgen spazierte er mit ihr durch den Wald, und sie entdeckte Bäume, die sie an jene in Embelyon erinnerten. Früh am Nachmittag kehrten sie wieder in die Hütte zurück. Etarr setzte sich über seine Bücher.
    »Ich bin kein Magier«, sagte er ein wenig bedauernd. »Ich kenne lediglich ein paar einfache Zauber, die ich hin und wieder zu meinem Schutz gebrauche. Vielleicht sind sie mir heute abend von Nutzen.«
    »Heute abend?« fragte T'sais, denn sie hatte vergessen.
    »Heute abend ist der Schwarze Sabbat, und ich muß versuchen, Javanne zu finden.«
    »Ich möchte mit dir kommen«, erklärte T'sais. »Mich interessiert der Schwarze Sabbat und Javanne ebenfalls.«
    Etarr versicherte ihr, daß der Anblick all dieser Schreckgestalten und was sie dort zu hören bekäme, sie nur verstören und ihrem Geist schaden würde. Aber sie bestand darauf. Schließlich gab Etarr nach und gestattete, daß sie ihn begleitete, als er zwei Stunden nach Sonnenuntergang in Richtung der Felsformation aufbrach.
    Durch das Heidekraut, vorbei an vereinzelten Felsbrocken, suchte Etarr seinen Weg, gefolgt von dem schlanken Schatten T'sais'. Eine steile Böschung lag vor ihnen, dann kletterten sie uralte Steinstufen aufwärts und gelangten auf den Kamm eines Felsmassivs, unter dem sich das Modavnamoor wie ein schwarzes Meer ausdehnte. Ober die Kuppe schritten sie bis dahin, wo sie auf der anderen Seite steil abfiel.
    Etarr legte den Finger in Mundhöhe auf die Kapuze und deutete T'sais an, daß sie nun ganz vorsichtig sein mußten. Auf Zehenspitzen schlichen sie durch einen Spalt zwischen zwei Felsen und beobachteten, in deren Schatten versteckt, was in der Tiefe vorging.
    Eine Art Amphitheater, das von zwei hell lodernden Feuern beleutet wurde, lag unter ihnen in einem kleinen Tal. In seiner Mitte erhob sich eine steinerne Plattform von etwa Mannshöhe.
    Rund um die Plattform und die Feuer tanzten etwa fünfzig Gestalten in grauen Mönchskutten. Ihre Gesichter waren nicht zu sehen.
    T'sais spürte, wie ihr ein eisiger Schauder den Rücken hinabrann. Wortlos, doch fragend blickte sie Etarr an.
    »Selbst hier ist Schönheit«, flüsterte er. »Zwar gespenstisch und grotesk, doch zweifellos ein Anblick, der sehr

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