DIE STERBENDE ERDE
Gerechten«, flüsterte Etarr. »Schau, dort steht er!« Er deutete auf eine schwarzgekleidete Gestalt, die von einer Bergkuppe aus mit düsterer Genugtuung das Gemetzel beobachtete.
Aber auch die Dämonen, die bereits aufgestiegen waren, entgingen ihrer Strafe nicht. Während sie durch die Nacht flatterten, griffen riesige Vögel sie an, deren grünuniformierte Reiter Röhren auf sie richteten. Aus diesen Röhren strahlte fächerförmig blendend grünes Licht. Traf es die Dämonen, stürzten diese mit gellenden Schreien in die Tiefe, wo sie zu schwarzem Staub zersprangen.
Einigen von den Zauberern war es gelungen, in die Berge zu entkommen und sich dort zu verkriechen. T'sais und Etarr hörten rollende Steine und ein Keuchen unter sich. Wer hier verzweifelt und mit letzter Kraft hochkletterte, war jene, die Etarr gesucht hatte – Javanne, deren rotes Haar in das junge, unschuldig wirkende Gesicht hing. Etarr warf sich auf sie und umklammerte sie mit starken Armen.
»Komm«, rief er T'sais zu und kletterte mit der sich heftig sträubenden Gestalt durch die tiefen Schatten der Felsen hinunter.
Als sie das Moor erreichten, erstarb allmählich der Tumult im Talkessel. Etarr stellte die Hexe auf ihre Füße und nahm die Hand von ihren Lippen. Jetzt erst sah sie ihn, der sie gefangengenommen hatte. Die Wildheit schwand aus ihrem Gesicht, und ein leichtes Lächeln zog darüber. Mit den Fingern kämmte sie ihr langes rotes Haar und rollte ein paar Löckchen über ihre Schultern, während sie keinen Blick von Etarr ließ.
T'sais trat näher an sie heran, und nun musterte die Hexe sie abschätzend.
Sie lachte. »Ah, Etarr ist mir also untreu geworden. Er hat ein neues Liebchen gefunden.«
»Sie geht dich nichts an«, sagte Etarr finster.
»Schick sie fort, und ich werde dich lieben wie einst«, lockte Javanne. »Entsinnst du dich, wie du mich unter den Pappeln auf der Terrasse deiner Villa küßtest?«
Etarr lachte kurz und bitter. »Ich will nur eines von dir –
mein Gesicht!«
»Dein Gesicht?« spottete Javanne. »Was gefällt dir denn nicht an deinem jetzigen? Es paßt doch gut zu dir. Ganz abgesehen davon, dein altes ist verloren.«
»Verloren? Was soll das heißen?«
»Er, der es trug, wurde heute nacht von der Grünen Legion in tausend Stücke zerrissen – möge Kraan ihre lebenden Gehirne in Säure tauchen!«
Etarrs blaue Augen blickten zu den Felsen zurück.
»Dein betörendes Antlitz ist deshalb jetzt Staub, schwarzer Staub!« höhnte Javanne. In wilder Wut schlug der Mann nach dem so unschuldig scheinenden, liebreizenden Gesicht der Hexe. Aber Javanne sprang schnell einen Schritt zurück.
»Beherrsche dich, Etarr, oder ich beweise dir meine Zauberkraft aufs neue. Wie würde es dir gefallen, zu hinken oder in Bocksprüngen herumzuhüpfen mit einem Körper, der zu deiner Fratze paßt? Und dein hübsches dunkelhaariges Liebchen verehre ich den Dämonen als Spielzeug.«
Etarr faßte sich und blieb stehen, aber seine blauen Augen glühten.
»Auch ich bin nicht ohne Zauberkräfte. Doch selbst ohne sie würde ich dich mit einem einzigen Fausthieb zum Schweigen bringen, ehe du auch nur das erste Wort einer Formel herausbringst.«
»Ha, das werden wir ja sehen!« rief Javanne. Vorsichtshalber machte sie ein paar Schritte, um aus seiner Reichweite zu kommen. »Ich habe einen Spruch von wundersamer Einfachheit.«
Als Etarr auf sie zusprang, stieß sie ihn schnell hervor. Etarr erlahmte mitten im Sprung, seine Arme hingen kraftlos herunter. Der Zauber raubte ihm jeglichen eigenen Willen.
Aber auch Javanne stand erstarrt wie er, und ihre grauen Augen blickten verständnislos geradeaus. Nur T'sais war frei –
denn sie trug Pandelumes Runen, die jeden Zauber auf den zurückwarf, der ihn zu ihrem Schaden benutzen wollte.
T'sais war jedoch völlig verwirrt. Ungläubig starrte sie auf die beiden reglosen Gestalten. Dann rannte sie zu Etarr und zupfte ihn am Ärmel. Er blickte sie mit stumpfen Augen an.
»Etarr, was hast du denn? Was ist denn los mit dir?« Und Etarr, der jede Frage beantworten und jedem Befehl gehorchen mußte, weil sein Wille gelähmt war, antwortete mit starren Gliedern:
»Die Hexe hat mich mit einem Zauber belegt, der mich meines Willens beraubte. Deshalb kann ich mich ohne Aufforderung weder bewegen, noch kann ich sprechen.«
»Was kann ich für dich tun? Wie kann ich dir helfen?« fragte T'sais verzweifelt. Obgleich Etarr ohne eigenen Willen war, hatte er doch seinen gesunden
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