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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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diese Kapuze?
    Schämte er sich seiner Züge? Das könnte sie verstehen, denn sie fand das menschliche Gesicht ekelerregend – die wässrigen Augen, die nassen, häßlichen Öffnungen, die schwammigen Wangen.
    Er blieb vor ihr stehen. »Hast du Hunger?«
    T'sais überlegte. »Ja«, erwiderte sie schließlich.
    »Dann wollen wir essen.«
    Er trat in die Hütte, schürte das Feuer und briet Fleisch an einem Spieß. T'sais blieb etwas unsicher stehen. Sie hatte sich immer selbst versorgt, nie jemanden bedient oder sich bedienen lassen. Zusammenarbeit, Partnerschaft waren ihr völlig fremd.
    Schließlich erhob der Mann sich, legte das Fleisch auf Teller, und sie setzten sich an den Tisch.
    »Erzähl mir über dich«, bat er nach einer Weile. Also berichtete T'sais, die nicht gelernt hatte, etwas aus Worten zu machen, folgendermaßen:
    »Ich bin T'sais. Ich kam zur Erde von Embelyon, wo der Zauberer Pandelume mich erschuf.«
    »Embelyon? Wo liegt dieses Embelyon? Und wer ist Pandelume?«
    »Wo liegt Embelyon?« wiederholte sie verwirrt. »Ich weiß es nicht. Es ist an einem Ort, der nichts mit der Erde gemein hat. Es ist nicht sehr groß, und Lichter in vielen Farben fallen vom Himmel herab. Pandelume lebt in Embelyon. Er ist der größte lebende Magier – sagte er mir.«
    »Ah«, murmelte der Mann. »Ich verstehe, vielleicht…«
    »Pandelume erschuf mich«, fuhr T'sais fort. »Aber bei meinem Gehirnmuster unterlief ihm ein Fehler.« Traurig starrte T'sais ins Feuer. »Ich sehe die Welt als einen trostlosen Ort voll Grauen. Alle Töne klingen schrill und unangenehm in meinen Ohren; alles Lebende scheint mir in verschiedenem Maß schlecht und böse, von häßlicher Form, ekelerregender Bewegung und innerer Verderbtheit. Anfangs hatte ich nur einen Gedanken, alles zu zertrampeln, zu zermalmen, zu zerstören. Ich kannte nichts anderes als den Haß. Dann begegnete ich meiner Schwester T'sain, die wie ich ist, doch mit gesundem Gehirn. Sie erzählte mir von Liebe und Schönheit und vom Glücklichsein – so kam ich zur Erde, um diese mir fremden Dinge zu finden.«
    Seine blauen Augen blickten sie ernst an.
    »Und hast du sie gefunden?«
    »Bis jetzt«, murmelte T'sais, »lernte ich hier nur Böses und Schreckliches kennen, wie es mich nicht einmal in meinen Alpträumen verfolgte!« Stockend berichtete sie ihm von ihren Erlebnissen.
    »Armes Ding«, sagte er mitleidig und betrachtete sie nachdenklich.
    »Ich glaube, ich werde mich töten«, erklärte T'sais mit verloren klingender Stimme. »Denn das, was ich ersehnte, scheint es für mich nicht zu geben.«
    Der Mann, der sie beobachtete, sah, wie die rote Nachmittagssonne ihre helle Haut tönte, er bewunderte das seidige Haar, die so traurig blickenden, wunderschönen Augen.
    Er schauderte bei dem Gedanken, daß dieses bezaubernde Geschöpf in den Staub der lange vergessenen Trillionen von Erdenmenschen eingehen sollte.
    »Nein!« wehrte er scharf ab. T'sais starrte ihn überrascht an.
    Konnte man mit seinem Leben denn nicht machen, was man wollte?
    »Hast du auf der Erde gar nichts gefunden, das dir leid täte, es aufzugeben?«
    T'sais zog die Brauen zusammen. »Mir fällt nichts ein –
    außer vielleicht der Frieden in dieser Hütte.«
    Der Mann lachte. »Dann soll die Hütte dein Heim sein, solange du es möchtest. Und ich werde versuchen, dir zu zeigen, daß die Welt auch gut sein kann – obgleich…« Er zögerte, und seine Stimme änderte sich, »sie auch mir nicht viel Gutes geboten hat.«
    »Und jetzt sag mir«, bat T'sais, »wie du heißt. Und weshalb du diese Kapuze trägst.«
    »Wie ich heiße? – Etarr«, erwiderte er rauh. »Ja, Etarr genügt. Ich trage die Maske, weil die ruchloseste Frau von Ascolais – von Ascolais, von Almery, von Kauchique, ja von der ganzen Welt – mein Gesicht zu etwas gemacht hat, dessen Anblick nicht einmal ich selbst ertrage.«
    Er zuckte die Achseln und lachte schwach. »Es hat keinen Sinn, ständig darüber nachzudenken.«
    »Lebt sie noch?«
    »Ja, sie lebt noch. Und zweifellos war ich nicht der letzte, dem sie so übel mitgespielt hat.« Er schaute blicklos ins Feuer.
    »Es gab eine Zeit, da wußte ich nichts von alldem. Sie war jung, schön, von liebenswerter Verspieltheit, und sie schlich sich mit tausend betörenden Düften in mein Herz. Ich lebte damals an der See – in einer weißen Villa unter hohen Pappeln.
    An der Tenebrosabucht ragt das Kap der Wehmütigen Erinnerungen weit hinaus ins Meer, und wenn die untergehende

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