DIE STERBENDE ERDE
Sonne den Himmel rot färbt, davor die schwarzen Berge, dann scheint mir das Kap wie einer der alten Erdengötter friedlich auf dem Wasser zu schlafen… Mein ganzes Leben verbrachte ich dort und war so glücklich und zufrieden, wie man nur sein kann, während die sterbende Erde, wer weiß wie wenige Male noch, ihre Bahn um die Sonne zieht.
Eines Morgens blickte ich von meinen Sternkarten auf und sah Javanne durch das Tor treten. Sie war so jung und schlank wie du. Ihr Haar leuchtete in einem tiefem Rot und fiel in weichen Locken über ihre Schultern. Sie war wunderschön und wirkte in ihrem weißen Gewand rein und unschuldig.
Ich liebte sie vom ersten Augenblick an, und sie sagte, sie liebe mich auch. Sie schenkte mir ein Armband aus schwarzem Metall. In meiner Blindheit streifte ich es über mein Handgelenk und erkannte es nicht als das, was es war: eine Rune Schwarzer Magie. Ich erlebte Wochen größten Glücks, bis ich mir bewußt wurde, daß Javanne dunkle Gelüste plagten, die kein menschlicher Liebhaber stillen konnte. Und bald darauf, zur Mitternacht, überraschte ich sie in der Umarmung eines nackten, schwarzen Dämons. Dieser Anblick zerbrach etwas in mir.
Zutiefst erschüttert zog ich mich unbemerkt zurück. Am nächsten Morgen kam sie strahlend und glücklich wie ein Kind zu mir auf die Terrasse. >Verlasse mein Haus!< befahl ich ihr.
>Deine Verderbtheit übertrifft jede Vorstellung.< Sie stieß ein Wort hervor, und die Rune um meinen Arm machte mich zu ihrem Sklaven. Meine Gedanken gehörten noch mir, aber mein Körper war gezwungen, zu tun, was sie verlangte.
Sie ließ mich berichten, was ich gesehen hatte. Und sie freute sich darüber, verhöhnte mich. Sie demütigte mich auf unbeschreibliche Weise. Sie beschwor – Dinge, Wesen, Dämonen – von Kalu, von Fauvune, von Jeldred, herbei, um meinen Leib zu beschmutzen, mich zu erniedrigen. Sie zwang mich zuzusehen, während sie ihre Lüste mit diesen … diesen Wesen befriedigte, und als ich ihr auf ihren Befehl hin gezeigt hatte, welche dieser Kreaturen ich am abstoßendsten fand, hexte sie mir deren Gesicht an – das Gesicht, das ich jetzt noch trage.«
»Daß es eine solche Frau überhaupt geben kann!« staunte T'sais.
»Es gibt sie«, versicherte ihr der Mann. Die ernsten blauen Augen musterten sie nachdenklich, während er fortfuhr. »Eines Nachts, als die Dämonen mich über die Felsen jenseits der Hügel jagten und mich hin und her stießen, blieb das Runenband an einer Steinzacke hängen und riß. Ich war frei.
Eilig rief ich einen Bannspruch, der die furchbaren Kreaturen in die Lüfte vertrieb, und kehrte in meine Villa heim. In der Eingangshalle begegnete ich der rothaarigen Javanne, und sie sah mich mit klaren Augen und unschuldsvoller Miene an. Ich zog meinen Dolch, um ihn ihr in den Hals zu stoßen, doch sie rief: >Halt ein! Wenn du mich tötest, wirst du die Dämonenfratze für immer behalten müssen, denn nur ich allein kann dir dein Gesicht zurückgeben.< Und schon rannte sie leichtfüßig aus der Villa und aus meiner Sicht.
Ich verließ mein Haus, weil die Erinnerungen mich dort quälten, und kam hierher ins Moor. Und immer bin ich auf der Suche nach Javanne, um mein Gesicht zurückzuerhalten.«
»Wo ist sie jetzt?« erkundigte sich T'sais, deren eigene Sorgen ihr nun gering schienen, verglichen mit jenen des maskierten Etarrs.
»Ich weiß, wo sie morgen abend zu finden sein wird«, erwiderte er. »Morgen ist die Nacht des Schwarzen Sabbats –
jene Nacht, die schon seit Anbeginn der Erde den Dunklen Nächten geweiht ist.«
»Und du willst an dem Fest teilnehmen?«
»Nicht als Feiernder – obgleich ich ohne meine Kapuze durchaus so aussehe, als gehörte ich zu ihnen«, antwortete Etarr mit belegter Stimme.
T'sais schauderte und drückte sich enger an die Wand. Etarr bemerkte es und seufzte.
Da fiel ihr etwas anderes ein. »Mit all dem Schrecklichen, das du erlebt hast, kannst du da noch irgend etwas schön finden?«
»Gewiß doch.« Etarr lächelte. »Sieh nur die herrliche Weite des Moors, die angenehm gedämpften Farben. Und schau, wie beeindruckend die Felsformation ist, wie das Rückgrat der Welt. Und du«, er blickte ihr ernst ins Gesicht, »bist das Schönste von allem.«
»Schöner als Javanne?« fragte T'sais und blickte Etarr verwirrt an, als er fröhlich lachte.
»Viel schöner als Javanne«, versicherte ihr Etarr.
T'sais dachte schon wieder an etwas anderes.
»Und Javanne? Willst du dich an ihr
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