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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Geflügelten einen Bann auferlegen.«
    »Ruf sie«, befahl Etarr. »Leg du ihnen den Bann auf. Binde sie mit all deinen Zauberkräften!«
    Javanne beschwor die Kreaturen herbei. Mit ihren gewaltigen Lederschwingen flatternd, setzten sie vor der Hütte auf. Javanne stellte sie unter den Bannpakt der Sicherheit für ihre Reiter, woraufhin die Geschöpfe vor Wut und Enttäuschung wieherten und stampften.
    Die drei Menschen kletterten auf die schuppigen Rücken, und die geflügelten Kreaturen brausten mit ihnen durch die Nachtluft, die bereits einen Hauch des nahenden Morgens in sich barg.
    Ostwärts ging es, immer weiter ostwärts. Der Morgen kam, und die schwache rote Sonne schob sich über den dunklen Himmel. Das schwarze Maurenrongebirge blieb hinter ihnen zurück, genau wie bald darauf das dunstige Land der Fallenden Wand. Im Süden dehnten sich die Wüstenflächen Almerys aus und ein einstiges Meeresbett, in dem nun Dschungel wucherte; und im Norden erstreckten sich die endlosen Wälder.
    Den ganzen Tag hindurch brausten sie durch die Lüfte, über staubbedeckte Öde hinweg, über kahle Felsen und eine größere Bergkette, und als die Abenddämmerung sich allmählich herabsenkte, flogen sie tief über eine grüne Parklandschaft.
    Vor ihnen lag eine schimmernde Wasserfläche, auf deren breitem Strand die geflügelten Kreaturen landeten. Auf Etarrs Befehl hin bannte Javanne sie mit einem Spruch der Unbeweglichkeit bis zu ihrer Rückkehr.
    Weder am Strand noch im Parkland dahinter war auch nur eine Spur der uralten Stadt zu finden, aber etwa eine halbe Meile seewärts ragten ein paar geborstene Säulen aus dem Wasser.
    »Die See hat die Stadt überflutet«, murmelte Etarr.
    Er watete in das Wasser, das hier ruhig und seicht war. T'sais und Javanne folgten ihm. Als das Wasser ihnen bis zur Hüfte ging und die Nacht sich herabzusenken begann, hatten sie die ersten geborstenen Säulen des eingestürzten Tempels erreicht.
    Eine fühlbare, doch unsichtbare Wesenheit, leidenschaftslos, göttlich, von unbeschränkter Willenskraft und Macht war hier gegenwärtig.
    Etarr stellte sich in die Mitte des alten, zerfallenen steinernen Tempels.
    »Gott der Vergangenheit!« rief er. »Ich weiß nicht, wie man dich hieß, sonst würde ich dich beim Namen nennen. Wir drei kommen aus einem fernen Land im Westen, um dich um Gerechtigkeit zu bitten. Wenn du mich hörst und gewillt bist, jedem von uns das zuzusprechen, was er verdient, dann gib mir ein Zeichen.«
    Eine leise, ein wenig zischende Stimme erklang aus der Luft.
    »Ich höre und gebe jedem von euch, was er verdient.« Und als er diese Worte sprach, sahen sie eine goldene, sechsarmige Gestalt mit einem runden, ruhigen Gesicht auf einem hohen Podest in der Mitte des Tempels sitzen, wie er früher ausgesehen haben mochte.
    »Ich wurde meines Gesichts beraubt«, erklärte Etarr. »Wenn du mich für würdig erachtest, dann gib es mir wieder zurück.«
    Der Gott in dem unwirklichen Tempel streckte seine sechs Arme aus.
    »Ich habe dein Herz erforscht. Dir soll Gerechtigkeit widerfahren. Nimm die Kapuze ab.«
    Zögernd tat Etarr wie geheißen. Mit zitternden Fingern betastete er sein Gesicht. Es war das, mit dem er geboren wurde.
    T'sais blickte ihn wie betäubt an. »Etarr!« stammelte sie schließlich. »Mein Gehirn – ist geheilt! Ich sehe – ich sehe die Welt! «
    »Jedem, der vor mein Antlitz tritt, widerfährt Gerechtigkeit«, erklärte die zischende Stimme.
    Sie hörten ein Ächzen. Sie drehten sich zu Javanne um. Wo war das liebreizende Unschuldsgesicht, der erdbeerfarbene Mund, die makellose Haut?
    Ihr Nase war ein dreigespaltener, sich windender weißer Wurm, ihr Mund ein Fäulnisherd, ihre fleckigen Wangen hingen schlaff bis unter das Kinn herab, und die schwarze Stirn lief spitz nach oben zu. Nur das rote Haar war ihr geblieben, wie zuvor fiel es in sanften Locken über die Schultern.
    »Jedem, der vor mein Antlitz tritt, widerfährt Gerechtigkeit«, sagte die Stimme erneut. Die sechsarmige Gestalt verschwand und mit ihr das Bild des Tempels, wie er früher gewesen war.
    Das kühle Wasser kräuselte sich um ihre Hüften, die zerfallenen Tempelsäulen hoben sich schwarz vom dunklen Himmel ab.
    Nachdenklichen Schritts kehrten sie zu den geflügelten Kreaturen zurück.
    Etarr wandte sich an Javanne. »Flieg heim zu deiner Hexenküche!« befahl er. »Und bei Sonnenuntergang morgen magst du dich von dem Zauber befreien. Doch versuche nie wieder, dich an uns heranzumachen. Ich

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