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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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durch Dornengebüsch und Rohr, das im Wind pfiff, zu kämpfen, um wieder zur Straße zurückzugelangen.
    Die rote Sonne, die sich durchs All schleppt wie ein Greis zum Totenbett, stand bereits tief am Horizont, als Lian über die Porphyrklippen kletterte und hinunterschaute auf Kaiin mit der weißen Stadtmauer und auf die blaue Bucht von Sanreale dahinter.
    Unmittelbar unter ihm war der Marktplatz mit den zahllosen Verkaufsständen, wo fast alles feilgeboten wurde – Früchte, helles Fleisch, Mollusken aus den Schlammbänken, bauchige Flaschen mit Wein. Und die friedlichen Bürger von Kaiin wandelten durch die Gassen, kauften sich hier dies und dort das und trugen es heim zu ihren Steinhäusern.
    Hinter dem Marktplatz ragten wie abgebrochene Zähne die zerfallenen Pfeiler der von König Schin, dem Wahnsinnigen, zweihundert Fuß über dem Grund erbauten Arena in die leere Luft. Jenseits davon, in einem Lorbeerhain, war über die Bäume hinweg das glitzernde Kuppeldach des Palasts von Kandive, dem Goldenen, zu sehen, der über Kaiin herrschte und über den Teil Ascolais, der vom höchsten Punkt der Porphyrklippen aus zu sehen war.
    Die Derna, die hier nicht mehr klar und rauschend dahinströmte, verteilte sich im Stadtbereich auf ein zum Teil unterirdisches Kanalsystem, ehe sie wieder in ihrem Bett zusammenfloß und an vermoderten Werften vorbei in die Bucht von Sanreale mündete.
    Ein Bett für die Nacht, dachte Lian, morgen würde er sich dann an die Arbeit machen.
    Er rannte die Zickzackstufen – vor und zurück, vor und zurück – zur Stadt hinunter und erreichte den Marktplatz. Hier benahm er sich gesetzter und vorsichtig, denn Lian, der Wegelagerer, war in Kaiin nicht unbekannt, und viele waren von so niedrigem Charakter, daß sie ihm übel wollten.
    Er hielt sich zuerst im Schatten der Pannonemauer, dann bog er in eine enge Kopfsteinpflastergasse zwischen alten Holzhäusern ein, denen die untergehende Sonne einen warmen Mahagoniton verlieh. An einem kleinen Platz kam er heraus und betrat die >Herberge zu den Zauberern<.
    Der Wirt, ein rundlicher kleiner Mann mit melancholischen Augen und einer Kugelnase, die eine Verkleinerung seines Bauches schien, kratzte Ruß aus dem Herd. Als er den Gast eintreten hörte, richtete er sich auf und eilte hinter die Theke in einer Nische.
    »Ein gutgelüftetes Zimmer und zum Abendessen Pilze, Wein und Austern«, ordnete der Troubadourbandit an.
    Der Wirt verbeugte sich tief. »Es ist mir eine Ehre, mein Herr. Und wie möchtet Ihr gern bezahlen?«
    Lian warf großspurig einen Lederbeutel auf die Theke, den er am Morgen dem Gewürzhändler abgenommen hatte. Der Wirt schloß bei dem Duft verzückt die Augen.
    »Die Unterknospen des Spasbusches, frisch aus einem fernen Land importiert«, erklärte Lian.
    »Ausgezeichnet, großartig… Mein Weib zeigt Euch Euer Gemach, mein Herr. Und ich eile, Euer Mahl zu bereiten.«
    Während Lian speiste, nahmen mehrere weitere Hausgäste am Feuer Platz und unterhielten sich laut. Das Gespräch befaßte sich schließlich mit Hexern alter Zeit und den großen Tagen der Magie.
    »Phandaal kannte einen Zauber, der längst vergessen ist«, sagte ein Greis mit orangegefärbtem Haar. »Er band Sperlingen weiße und schwarze Fäden an die Beine, dann sandte er sie aus. Und wo sie ihr Zaubergewebe spannten, wuchsen sogleich große Bäume aus dem Boden, die mit Blumen, Obst, Nüssen oder Schalen mit berauschenden, ungewöhnlichen Getränken überquollen. So soll auch der Große Dawald am Ufer des Sanragewässers entstanden sein.«
    »Ha!« rief ein mürrisch aussehender, blau-braun-schwarzgekleideter Mann. »Seht, was ich kann!« Er holte ein Stück Bindfaden aus der Tasche, streifte es glatt, dann wirbelte er es in der Luft und sagte dazu ein leises Wort, das keiner verstand. Der Spruch verwandelte die Schnur in eine rotgelbe Feuerzunge, die auf dem Tisch tanzte, sich zusammenrollte und wieder auseinanderschnellte, bis der Mann mit der mürrischen Miene sie mit einer Handbewegung auslöschte.
    »Und das kann ich«, sagte ein in Kapuze und schwarzem Umhang mit Silbertupfen vermummter Mann. Er brachte eine flache Schale zum Vorschein, stellte sie auf den Tisch und stäubte ein wenig Asche vom Herd darauf. Dann blies er auf einer Pfeife einen klaren Ton, und aus der Schale stiegen rot, blau, grün und gelb glitzernde Flitter auf. Etwa einen Fuß über dem Tisch explodierten sie wie Feuerwerkskörper in herrlichen, funkelnden Farben, bildeten

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