DIE STERBENDE ERDE
festhalten.
»Sag mir, wo finde ich Pandelume?« fragte er.
Das Mädchen hörte auf, sich zu wehren. Sie drehte den Kopf, um Turjan anzusehen. Dann zischte sie: »Such doch ganz Embelyon ab. Ich werde dir nicht helfen!«
Mit weniger haßverzerrten Zügen, dachte Turjan, wäre sie von beachtlicher Schönheit.
»Sag mir, wo Pandelume ist«, knurrte Turjan, »oder ich lasse mir etwas recht Unangenehmes für dich einfallen.«
Sie schwieg einen Augenblick lang. Der Wahnsinn funkelte aus ihren Augen. Endlich sagte sie mit zitternder Stimme:
»Pandelume wohnt neben dem Fluß, nur wenige Schritte von hier.«
Turjan ließ sie frei, aber nahm ihr vorher Degen und Bogen ab. »Wenn ich dir das zurückgebe, wirst du dann deines Weges in Frieden ziehen?«
Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, starrte sie ihn kurz finster an, dann ritt sie davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Turjan blickte ihr nach, wie sie durch die vielfarbigen, wie Juwelen glitzernden Lichtstrahlen verschwand. Kopfschüttelnd stapfte er schließlich in die Richtung, die sie angedeutet hatte.
Bald kam er an ein langes, niedriges Haus, hinter dem ein Wäldchen mit dunklen Bäumen lag. Als er es erreicht hatte, schwang die Tür auf. Turjan hielt mitten im Schritt an.
»Tretet ein!« rief eine Stimme. »Tretet ein, Turjan von Miir!«
So betrat Turjan staunend das Haus Pandelumes. Während die Tür sich hinter ihm schloß, stellte er fest, daß er in einem kleinen Gemach mit Wandbehängen stand, dessen einziges Mobiliar ein Diwan war. Niemand hieß ihn hier willkommen.
Eine Tür befand sich an der entgegengesetzten Wand. Turjan schritt darauf zu, weil er annahm, man erwarte von ihm, das nächste Zimmer zu betreten.
»Halt, Turjan!« rief da die Stimme. »Niemand darf Pandelumes Angesicht schauen!«
Also blieb Turjan in der Mitte des Gemachs stehen und sprach zu seinem unsichtbaren Gastgeber.
»Was ich von Euch erbitte, ist folgendes, Pandelume«, erklärte er. »Seit langem schon versuche ich, in meinen Trögen Menschen herzustellen. Doch blieb mir der Erfolg versagt, in Unkenntnis des Agens, welches Form und Gestalt gibt.
Sicherlich ist Euch diese Urmatrix bekannt. Deshalb begab ich mich hierher, um Euch um Anleitung zu ersuchen.«
»Gern helfe ich Euch«, versicherte ihm Pandelume. »Doch ist das mit einer Kleinigkeit verbunden. Das Universum wird durch Symmetrie im Gleichgewicht gehalten. Jeder Aspekt des Daseins wird von diesem Gleichgewicht dirigiert.
Konsequenterweise muß auch in unseren trivialen Handlungen diese Gleichwertigkeit gewährleistet sein. Ich erkläre mich einverstanden, Euch zu helfen, wenn Ihr mir einen entsprechenden Dienst erweist. Habt Ihr diese kleine Aufgabe erledigt, will ich Euch unterrichten und Anleitungen geben, die Euch zufriedenstellen werden.«
»Und was mag dieser kleine Dienst sein?« erkundigte sich Turjan.
»Es gibt einen Mann im Lande Ascolais, nicht weit von Eurer Burg Miir, der hat um seinen Hals ein Amulett aus geschliffenem blauen Stein hängen. Das müßt Ihr ihm abnehmen und mir bringen.«
Turjan überlegte einen Augenblick.
»Gut«, erklärte er sich einverstanden. »Ich werde tun, was ich kann. Wer ist dieser Mann?«
Pandelume antwortete mit sanfter Stimme.
»Prinz Kandive, der Goldene.«
»Oh!« rief Turjan erschrocken. »Da habt Ihr mir keine leichte Aufgabe zugedacht… Aber ich werde mein Bestes tun.«
»Gut«, sagte nun auch Pandelume. »Hört meine Anweisungen. Kandive trägt dieses Amulett versteckt unter seinem Wams. Fühlt er sich bedroht, holt er es heraus, damit es offen auf seiner Brust ruht, denn nur so entfaltet es seine volle Kraft. Gleichgültig, was geschieht, werft auch nicht einen Blick auf dieses Amulett, weder bevor Ihr es nehmt, noch nachdem Ihr es habt, sonst kann Euch niemand mehr helfen.«
»Ich verstehe«, murmelte Turjan. »Ich werde mich hüten.
Nun hätte ich noch eine Frage – vorausgesetzt, ihre Beantwortung verpflichtet mich nicht, den Mond auf die Erde zu holen oder ein Elixir zu suchen, das Ihr versehentlich ins Meer geschüttet habt.«
Pandelume lachte herzhaft. »Fragt ruhig«, erwiderte er. »Ich werde antworten.«
Turjan stellte seine Frage.
»Als ich mich Eurem Haus näherte, wollte mich eine Frau, vom Wahn besessen, töten. Dagegen wehrte ich mich, so verschwand sie in großer Wut. Wer ist diese Frau und weshalb ihr sonderbares Benehmen?«
Pandelumes Stimme klang amüsiert. »Auch ich habe Tröge«, erklärte er, »in denen ich Leben in
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