Die sterblich Verliebten
Geburtstags, armer Mann, als er mit Luisa frühstückte und ich sie voll Freude aus der Distanz beobachtete, wie an jedem anderen harmlosen Morgen. Tatsächlich ein Witzbold, wiederholte ich mir und merkte, wie mein Gesicht aufflammte. Doch ich schwieg, sagte nichts, behielt diese Empörung für mich, die ihm bei den Frauen Angst einflößte, und außerdem fiel mir noch rechtzeitig ein, dass mir ab einem bestimmten Punkt seiner Rede (ab welchem wohl) nicht mehr bewusst gewesen war, dass alles, was Díaz-Varela erzählte, noch immer eine Hypothese sein sollte, eine Schilderung meiner Auslegung des Gehörten, für ihn also bestimmt eine Fiktion. Genau so hatte seine Darstellung, sein Revuepassieren begonnen, als bloße Wiedergabe meiner Mutmaßungen, als Formulierung meines Verdachts, und hatte für mich unmerklich Anschein und Ton des Wahrhaftigen angenommen, bis ich sie schließlich anhörte wie eine regelrechte Beichte, als wäre alles wahr. Noch bestand die Möglichkeit, dass dies nicht der Fall war, allerdings immer seinen Worten nach (nie würde ich mehr als das wissen, was er mir sagte, nie würde ich im Nachhinein etwas mit vollkommener Sicherheit wissen; ja, es ist lächerlich, dass man nach all den Jahrhunderten Übung, nach all den unglaublichen Fortschritten und Erfindungen immer noch keinen Weg gefunden hat, zu wissen, wann jemand lügt; natürlich ist das für uns alle gleichermaßen von Vor- oder Nachteil, vielleicht das einzige Bollwerk der Freiheit, das uns noch bleibt). Ich fragte mich, warum er das zuließ, warum er dafür sorgte, dass wie Wahrheit klang, was später doch höchstwahrscheinlich abgestritten werden sollte. Nach seinen letzten Worten fiel es mir schwer, auf dieses voraussichtliche, angekündigte Leugnen zu warten (›Ich will nicht, dass du ein falsches Brandmal bekommst‹, so hatte er begonnen); doch das musste ich nun, jetzt konnte ich nicht mehr fort: das Schreckliche hören, weiter warten, Geduld haben. All diese Gedanken durchfuhren mich wie ein Blitz, denn er hielt nicht inne, machte nur eine kleine Pause. »Sein unverhofftes Schweigen war also wie ein Segen, wie die Bestätigung, dass mein riskanter Plan aufgegangen war, und stell dir vor, wie riskant: Dieser Canella hätte immun gegen meine Intrigen sein können, oder man hätte ihm zwar einreden können, dass Miguel am Verderben seiner Töchter schuld war, aber weiter nichts, das hätte nicht die geringste Folge haben müssen.«
Wieder rutschte mir etwas heraus, sosehr ich mich eben noch zurückgehalten hatte, wenig hatte es mir genützt. Ich bemühte mich, dass die Sätze mehr den Anschein hatten, in Erinnerung zu rufen, als anzuklagen oder vorzuwerfen, auch wenn sie das zweifellos taten (ich bemühte mich, um ihn nicht übermäßig zu reizen).
»Na ja, ihr habt ihm ein Messer gegeben, oder? Und nicht irgendeins, sondern ein sehr gefährliches, schädliches, das verboten ist. Das hatte doch wohl Folgen, oder?«
Díaz-Varela sah mich einen Moment überrascht an, zum ersten Mal sah ich ihn verblüfft. Er schwieg, vielleicht durchforstete er rasch sein Gedächtnis, ob er mit Ruibérriz über das Messer gesprochen hatte, während ich lauschte. In den zwei Wochen, die seitdem vergangen waren, hatte er das damals Beredete bestimmt bis in alle Einzelheiten auseinandergenommen, hatte genau erwogen, was und wie viel ich wissen konnte – sicherlich mit Hilfe seines Freundes, dem er wohl von dem Ärgernis erzählt hatte; die Vorstellung, dass der über meine Indiskretion Bescheid wusste, erschien mir plötzlich wenig erfreulich, nach den Blicken, mit denen er mich gemessen hatte –, und dabei wusste er gar nicht, dass ich erst verspätet ins Gespräch eingestiegen war und mich manches nur in Fetzen erreicht hatte. Er nahm bestimmt den schlimmsten Fall an, ging davon aus, dass ich alles gehört hatte, und hatte deshalb beschlossen, mich anzurufen und mich mit der Wahrheit außer Gefecht zu setzen oder mit einer scheinbaren, lückenhaften Wahrheit. Dennoch hatte sein Gedächtnis anscheinend nicht gespeichert, ob von dem Messer gesprochen worden war, geschweige denn davon, dass sie es gekauft und dem Parkeinweiser ausgehändigt hatten. Ich selbst war mir nicht mehr sicher, glaubte eher nicht, als ich seine Verblüffung bemerkte oder die plötzlichen Zweifel an seinem Gedächtnis, das er peinlich genau überprüfte. Es war gut möglich, dass ich es mir zusammengereimt und dann als Tatsache genommen hatte. Ihm kamen Bedenken, hastig
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