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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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als hätte er keine Lust mehr, fortzufahren, als erachtete er die Sitzung für beendet. Noch nie hatte ich seine Lippen so bleich gesehen, all die vielen Male, die ich sie betrachtet hatte. Die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit, die rückblickende Verzweiflung, die vorhin schon in Erscheinung getreten waren, hatten sich gewaltig verschärft. Jetzt wirkte er tatsächlich erschöpft, als läge eine ungeheure körperliche Anstrengung hinter ihm, auf die schon fast von Anfang an die hochgekrempelten Ärmel hingewiesen hatten, nicht nur eine verbale. Ähnlich entkräftet würde vielleicht auch der aussehen, der neunmal auf einen Mann eingestochen hatte oder vielleicht zehn- oder sechzehnmal.
    Ja, ein Mord, dachte ich, mehr nicht.

IV
    Das war das letzte Mal, dass ich Díaz-Varela unter vier Augen sah, wie schon vermutet, und es dauerte lange, bis ich ihn wieder traf, in Begleitung und rein zufällig. Aber fast die ganze Zeit über suchte er meine Tage und Nächte heim, zu Anfang hartnäckig und dann immer bleicher umherschweifend,
palely loitering
, wie es in einem Halbvers von Keats heißt. Er dachte wohl, dass es zwischen uns nichts weiter zu bereden gab, hatte zur Genüge, wie er meinte, die unvorhergesehene Aufgabe erfüllt, mir Erklärungen anzubieten, die jemandem geben zu müssen er zweifellos nie eingeplant hatte. Er war unbesonnen gegenüber der jungen Besonnenen gewesen (so jung bin und war ich im Übrigen nicht) und hatte keine Wahl gehabt, als mir seine je nach Version unheilvolle oder düstere Geschichte zu erzählen. Danach war es nicht mehr nötig, weiter mit mir in Verbindung zu bleiben, sich meinem Argwohn auszusetzen, meinen Blicken, meinen Ausflüchten, meinem stummen Urteil, dem auch ich ihn ungern ausgesetzt hätte, eine Atmosphäre des Schweigens, des Unbehagens hätte uns umgeben. Er meldete sich nicht, ich mich ebenso wenig. Wortlos hatten wir Abschied genommen, waren an ein Ende gekommen, das keine gegenseitige körperliche Anziehung, kein einseitiges Gefühl zurückdrängen konnte.
    Am nächsten Tag hatte er trotz seiner Erschöpfung gewiss gespürt, dass er sich eine Last von der Seele gewälzt hatte, und wenn eine andere an ihre Stelle getreten war – ich wusste nun besser Bescheid, hatte ein Geständnis angehört – so war sie bei weitem geringer –, nun war es noch unwahrscheinlicher, dass ich mich mit meinem gänzlich unbeweisbaren Wissen an Dritte wandte. Mir dagegen hatte er eine aufgeladen: Schlimmer als der schwere Verdacht und die vielleicht vorschnellen, ungerechten Vermutungen war es, zwei Versionen zu kennen und nicht zu wissen, bei welcher bleiben, oder vielmehr zu wissen, dass ich bei beiden würde bleiben müssen, dass sie in meinem Gedächtnis nebeneinander fortleben würden, bis dieses sie vor die Tür setzte, der Wiederholung müde. Alles, was einem erzählt wird, verleibt sich uns ein, wird Teil unseres Bewusstseins, selbst wenn man es nicht glaubt, selbst wenn feststeht, dass es nie stattgefunden hat, nur Erfindung ist wie die Romane und die Filme, wie die uralte Geschichte von Oberst Chabert. Díaz-Varela hatte zwar das bewährte Gebot befolgt, als Letztes anzuführen, was als wahr zu gelten hat, und mit dem zu beginnen, was für falsch gehalten werden soll, doch reicht diese Regel nicht aus, um diesen Beginn und alles Vorhergehende auszulöschen. Man hat es nun einmal gehört; und mag es auch vorübergehend von dem außer Kraft gesetzt werden, was anschließend widerruft und dementiert, so wirkt die Erinnerung daran doch nach, vor allem die Erinnerung an unsere anfängliche Leichtgläubigkeit beim Zuhören, als wir noch nicht wussten, dass ein Dementi folgen würde und wir das Erste für die Wahrheit nahmen. Was gesagt wurde, kehrt wieder, klingt weiter, wenn nicht im Wachen, dann im Halbschlaf und im Traum, in dem die Reihenfolge keine Rolle spielt, immer zappelt und pocht es wie ein lebendig Begrabener oder ein Toter, der zurückkehrt, weil er gar nicht wirklich gestorben ist, weder in Eylau noch auf seinem Rückweg, nicht hängend an einem Baum oder an sonst einem Ort. Das Gesagte belauert uns, sucht uns manchmal heim wie die Gespenster, und dann meinen wir immer, dass es nicht ausreichend war, das längste Gespräch zu kurz, die ausführlichste Erklärung lückenhaft, dass wir viel mehr hätten fragen, besser aufpassen, auch auf die Zeichen jenseits der Worte hätten achten müssen, die eine Spur weniger täuschen als diese.
    Sehr wohl spielte ich mit dem

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