Die sterblich Verliebten
diesem Gespräch, dessen ganze Last er trug. Sein Blick war immer noch abwesend, und er murmelte vor sich hin:
»Ich habe meine Meinung nicht geändert. Habe sie nie geändert. Vom ersten Augenblick an war mir klar, ich hatte keine Wahl. So schwer es mir fallen würde, ich musste seine Bitte erfüllen. Das eine war, was ich ihm gesagt habe. Etwas anderes, was ich zu tun hatte. Ich musste ihn erledigen, wie er sich ausgedrückt hatte, denn er selbst würde es niemals wagen, weder aktiv noch passiv, und was ihn erwartete, war tatsächlich grausam. Er blieb beharrlich, flehte mich an, erbot sich, ein Papier zu unterzeichnen, auf dem er die Verantwortung übernahm, schlug sogar vor, zu einem Notar zu gehen. Ich lehnte ab. Denn dann hätte er das Gefühl gehabt, weit mehr unterzeichnet zu haben, eine Art Vertrag oder Pakt, er hätte es für ein Ja genommen, und das wollte ich vermeiden, mir war lieber, er verließ sich nicht darauf. Aber ich schlug die Tür auch nicht ganz zu. Ich sagte, darüber müsste ich länger nachdenken, obwohl ich sicher sei, dass ich meine Ansicht nicht ändern würde. Damit solle er nicht rechnen. Und nie mehr solle er mit mir darüber sprechen, nicht nachfragen. Das Beste sei, wenn wir uns vorläufig nicht mehr sähen, uns nicht mehr anriefen. Denn sonst würde er zwangsläufig weiter in mich dringen, wenn nicht mit Worten, dann mit dem Blick, dem Tonfall und einer erwartungsvollen Haltung, und dazu sei ich nicht bereit: einmal und Schluss mit diesem makabren Auftrag, diesem düsteren Gespräch. Ich würde mich von mir aus mit ihm in Verbindung setzen, nach seinem Zustand fragen, würde ihn nicht alleinlassen, er solle indessen zusehen, wie er sich durchs Leben schlage oder zum Tod, ohne mit meinem Zutun zu rechnen. Er könne einen Freund da nicht hineinziehen, er müsse selbst eine Lösung finden. Aber den Zweifel pflanzte ich ihm ein. Ich machte ihm keinerlei Hoffnung und zugleich doch: ausreichend, damit er sich in der rettenden Ungewissheit einrichten konnte und meine Hilfe nicht ganz verwarf, sich deshalb aber auch nicht wirklich oder unmittelbar bedroht fühlte, als wäre seine Beseitigung bereits im Gang. Nur auf diese Weise würde er weiterleben können, was ihm noch an ›gesundem‹ Leben blieb, mit einer winzigen Spur Normalität, wie er gesagt hatte und worauf er sich vergebens Hoffnungen machte. Aber wer weiß, vielleicht ist es ihm ein Stück weit gelungen, im Rahmen des Möglichen. So weit sogar, dass er weder den Angriff des
Gorrilla
auf Pablo noch dessen Schmähungen und Anklagen mit seiner Bitte an mich in Verbindung brachte, ich kann es nicht wissen, weiß es nicht. Ich rief ihn tatsächlich bisweilen an, um zu fragen, wie es ihm ging, ob die Schmerzen, die Symptome schon aufgetreten waren. Zweimal trafen wir uns sogar noch, und er hielt rigoros ein, was ich von ihm verlangt hatte, sprach das Thema nicht mehr an, drang nicht in mich, und wir taten so, als hätte das Gespräch nie stattgefunden. Doch irgendwie vertraute er mir, das merkte ich; als erwartete er noch, dass ich ihm aus dem Schlamassel half, ihm überraschend den Gnadenstoß versetzte, eines Tages, bevor es zu spät war, als sähe er in mir noch immer seine Rettung, wenn man denn ein gewaltsames Beseitigen so nennen kann. Ich hatte keineswegs ja gesagt, aber im Grunde hatte er Recht: Vom ersten Moment an, seit er mir seine Lage geschildert hatte, arbeitete es in meinem Kopf. Ich sprach mit Ruibérriz, damit er mir zur Hand ging und sich um die Durchführung kümmerte, und den Rest kennst du. Mein Kopf musste arbeiten, musste funktionieren wie der eines Verbrechers. Ich musste mir überlegen, wie man zur rechten Zeit tötet, wie man innerhalb einer bestimmten Frist einen Freund sterben lässt, ohne dass es wie Mord aussieht oder der Verdacht auf mich fallen würde. Ja, ich schob Mittelsmänner dazwischen, vermied es, mir die Hände schmutzig zu machen, der Wille anderer schaltete sich ein, ich delegierte, überließ einiges dem Zufall und rückte die Tat in weite Ferne, außerhalb meiner Reichweite, bis ich mir einbilden konnte, nichts mehr damit zu tun zu haben, oder nur mit ihrem Ursprung. Doch immer habe ich gewusst, dass ich ursprünglich wie ein Mörder denken und handeln muss. Also ist es gar nicht so merkwürdig, dass du heute dieses Bild von mir hast. Was du glaubst, María, hat dennoch nicht allzu viel Bedeutung. Wie du dir vielleicht denken kannst.«
Dann stand er auf, als wäre das alles gewesen oder
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