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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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verschwinden, auch wenn ich ihn nie kennengelernt habe, ihn nur voll Wohlgefallen Morgen für Morgen aus der Ferne sah, während er mit seiner Frau frühstückte. Ebenso wenig werden die erfundenen Namen von Oberst Chabert und Madame Ferraud je ganz verschwinden, die vom Grafen de la Fère und Mylady de Winter, Anne de Breuil in ihrer Jugend, der man die Hände auf den Rücken gebunden und die man an einem Baum aufgehängt hatte, woran sie geheimnisvollerweise nicht starb, sondern zurückkehrte, schön wie die Liebe oder die Verliebtheiten. Ja, die Toten tun schlecht daran, zurückzukehren, und doch tun es fast alle, sie geben nicht klein bei, ringen darum, den Lebenden zum Ballast zu werden, bis diese sie abschütteln, um voranzuschreiten. Dennoch beseitigen wir niemals alle Überreste, können die vergangene Materie niemals wirklich und für immer zum Verstummen bringen, hören manchmal ein fast unmerkliches Atmen wie das eines sterbenden Soldaten, den man nackt in eine Grube geworfen hat, zu seinen toten Kameraden, oder vielleicht wie deren imaginäres Stöhnen, wie die erstickten Seufzer, die er in manchen Nächten noch zu hören meint, vielleicht, weil er so lange mit ihnen in Berührung, ihrem Zustand so nah, beinahe einer von ihnen gewesen war, oder womöglich war er es tatsächlich gewesen, und in dem Fall waren seine späteren Erlebnisse, seine Streifzüge durch Paris, sein Wiederverlieben, seine Mühen, sein Verlangen nach Rehabilitierung, nur die eines Gedenksteinfragments in einem Museumssaal, nur die einer Tympanonruine mit unlesbarer, durchbrochener Inschrift, die des Schattens einer Spur, das Echo eines Echos, eine winzige Schwingung, ein Ascherest, waren nur die von vergangener, stummer Materie, die sich weigert, zu vergehen und zu verstummen. Etwas in dieser Art hätte ich für Deverne sein können, aber nicht einmal das habe ich vermocht. Oder vielleicht wollte ich nicht, dass von ihm auch nur die leiseste Klage in die Welt einsickerte, durch mich.

Dieses Verhallen hatte wohl am Tag nach meinem letzten Besuch bei Díaz-Varela begonnen, nach dem Abschied von ihm, denn es beginnt, sobald etwas zu Ende gegangen ist, wie bestimmt auch Luisas Kummer am Tag nach dem Tod ihres Mannes zu verhallen begann, auch wenn sie ihn damals nur für den ersten ihres ewigen Schmerzes hatte nehmen können.
    Es war bereits finstere Nacht, als ich fortging, diesmal ohne den geringsten Zweifel. Nie war ich mir sicher gewesen, ob es ein nächstes Mal geben, ob ich zurückkommen, noch einmal seine Lippen berühren, geschweige denn, versteht sich, mit ihm ins Bett gehen würde, alles zwischen uns war immer vage geblieben, als müssten wir jedes Mal, wenn wir uns trafen, wieder von vorne beginnen, als sammelte sich nichts an, als setzte sich nichts ab, als hätte man zuvor kein Stückchen Weg zurückgelegt und könnte die Erlebnisse eines Abends nicht als Garantie dafür nehmen – nicht einmal als Ankündigung, nicht einmal als Prognose –, dass an einem künftigen, ob nah oder fern, Gleiches geschehen würde, erst a posteriori entdeckte man, dass es so war, und fürs nächste Mal nutzte es nie: Immer gab es eine unbekannte Größe, immer lauerte da die Möglichkeit, dass nein, aber ebenso, dass ja, wie auch nicht, sonst wäre nicht zuvor geschehen, was geschehen war.
    An jenem Tag war ich mir dagegen sicher, dass sich diese Tür nie mehr für mich öffnen würde, und sobald er sie hinter mir zugemacht und ich mich zum Fahrstuhl begeben hätte, würde seine Wohnung für mich so verschlossen sein, als wäre ihr Bewohner umgezogen, ins Exil gegangen oder gestorben, einer dieser Hauseingänge, an denen wir nach unserer Verbannung lieber nicht mehr vorbeigehen, und wenn man es versehentlich doch tut oder der Umweg zu lang ist und man keine Wahl hat, schaut man verstohlen hinüber, ein beklemmender Schauer überläuft einen – vielleicht das Gespenst des alten Gefühls –, und man geht schneller, um nicht in der Erinnerung dessen zu versinken, was war und nicht mehr ist. In der Nacht meines Zimmers, im Angesicht meiner unablässig rauschenden, dunklen Bäume, bevor ich die Augen schloss, um zu schlafen oder nicht, sah ich es klar und deutlich und sagte zu mir selbst: ›Jetzt weiß ich, dass ich Javier nicht wiedersehen werde, und es ist besser so, obwohl ich mich schon nach dem Guten sehne, was es zwischen uns gab, nach dem, was mir so gefiel, wenn ich dorthin ging. Das ist zu Ende, war es schon vor dem heutigen Tag. Ab

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