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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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spontan.
    »Huch, tut mir leid, pardon«, ich wandte mich an Díaz-Varela, »ich wusste nicht, dass jemand hier ist. Entschuldigt, ich ziehe mir was über.«
    »Aber nein, ich wollte gerade gehen«, sagte Ruibérriz und streckte mir die Hand entgegen.
    »Ruibérriz, ein Freund«, stellte Díaz-Varela verärgert und knapp vor. »Das ist María.« Er beraubte mich des Nachnamens wie damals Luisa bei sich zu Hause, doch womöglich tat er es mit Absicht, um mich minimal zu schützen.
    »Ruibérriz de Torres, freut mich sehr«, präzisierte der Vorgestellte und strich den vornehmen Namenszusatz heraus. Seine Hand schwebte noch immer in der Luft.
    »Sehr erfreut.«
    Ich drückte sie rasch – entblößte dabei kurz eine Seite, seine Augen flogen auf diese Brust zu –, schlüpfte zurück ins Schlafzimmer und ließ die Tür offen, damit meine Absicht deutlich wurde, zu ihnen zurückzukehren, der Besuch würde nicht gehen, ohne sich von jemandem zu verabschieden, den er noch im Blickfeld hatte. Ich griff zum Pullover, zog ihn mir vor seinen Augen an – ich spürte sie beim Ankleiden starr auf mein Profil gerichtet – und ging wieder hinaus. Ruibérriz de Torres trug um den Hals einen
foulard
 – nur ein Accessoire, vielleicht hatte er ihn gar nicht abgenommen –, und auf seinen Schultern ruhte der berühmte Ledermantel fast wie ein Umhang, wie auf dem Theater oder beim Karneval. Er war lang, aus schwarzem Leder, wie ihn die SS -Männer oder die von der Gestapo in den Nazifilmen zur Schau tragen, ein Typ, der Aufmerksamkeit schnell und spielend erwecken wollte, auch auf die Gefahr hin, Ablehnung zu provozieren, jetzt würde er auf dieses Kleidungsstück verzichten müssen, sofern er Díaz-Varela gehorchte. Als Erstes ging mir durch den Kopf, wie dieser einem Individuum vertrauen konnte, das so offenkundig nach Gauner aussah, denn den verrieten Gesicht, Haltung, Konstitution und Gestik, ein flüchtiger Blick genügte, und man hatte sein Wesen erfasst. Er hatte die fünfzig schon hinter sich, doch alles an ihm trachtete nach Jugendlichkeit: das gefällige, nach hinten gekämmte und an den Schläfen gewellte Haar, ein wenig üppig und lang, aber noch im Rahmen, mit weißen Strähnen oder Streifen, die ihm allerdings nichts Respektierliches verliehen, weil sie künstlich, wie aus Quecksilber aussahen; der athletische, wenn auch leicht gewölbte Brustkorb, wie bei denen, die um jeden Preis einen dicken Bauch vermeiden wollen und die Brustmuskeln trainieren; das offene Lächeln, das ein blitzendes Gebiss freilegte, die Oberlippe stülpte sich nach oben und entblößte die feuchte Innenseite, was die Lüsternheit der ganzen Erscheinung noch unterstrich. Seine Nase war gerade und spitz, mit stark hervortretendem Nasenbein, sie wirkte eher wie die eines Römers statt eines Madriders und erinnerte mich an diesen Schauspieler, an Vittorio Gassman, nicht an den alten, vornehmen Gassman, sondern als er noch Schlitzohren spielte. Ja, es sprang ins Auge, dass er jovial und ein Schwindler war. Er verschränkte die Arme so, dass die Hände jeweils auf dem Bizeps des anderen Arms zu liegen kamen – reflexartig spannte er sie sogleich an –, als streichelte oder befühlte er sie, um sie zu betonen, obwohl der Mantel sie nun verdeckte, eine überflüssige Geste. Ich konnte ihn mir ohne weiteres im Polohemd vorstellen, sogar mit hochschaftigen Stiefeln, der Abklatsch eines frustrierten Polospielers, der sich nie hatte aufs Pferd schwingen dürfen. Ja, es war seltsam, dass Díaz-Varela ihn sich zum Komplizen für ein so geheimes, heikles Unternehmen erwählt hatte, das einen so befleckt: jemandem den Tod bringen, wenn
he should have died hereafter,
wenn er später hätte sterben sollen oder hiernach, morgen vielleicht oder sonst morgen oder wieder morgen, aber niemals jetzt. Da liegt der Haken, denn alle sterben wir, und letztlich ändert sich nicht allzu viel – im Grunde gar nichts –, wenn jemand vorzeitig an die Reihe kommt und umgebracht wird, der Haken liegt im Wann, aber wer weiß schon, welches Wann angemessen und richtig ist, was bedeutet ›hiernach‹ oder ›fortan‹, wenn das Jetzt naturgemäß veränderlich ist, was bedeutet ›zu einer anderen Zeit‹, wenn es doch nur eine Zeit gibt, die fortwährt und nie abbricht und sich ewig auf den Fersen bleibt, voll Ungeduld und ohne Ziel, die sich überstürzt, als läge es nicht in ihrer Macht, sich zu bremsen, als wüsste sie selbst nicht um ihren Sinn. Und warum

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